: UN–Vermittlung am Golf gescheitert
■ Jüngste Äußerungen iranischer Politiker belegen das Scheitern der Waffenstillstandsverhandlungen
Als Reaktion auf die Eskalation des Tankerkrieges von seiten des Irak und die militärische Intervention der USA im Persischen Golf haben sich in Teheran nun endgültig die Gegner eines Waffenstillstandes mit dem Irak durchgesetzt. Jetzt nachzugeben, wäre für die Teheraner Führung ein nicht hinzunehmender Gesichtsverlust. Mitschuldig an der Verhärtung der Positionen sind auch die USA, die mit ihrer Drohpolitik den Falken im Iran den Rücken stärkten.
Manama (taz) - Die völlige politische und wirtschaftliche Isolierung Irans hat der saudische Außenminister Prince Saud al Feisal gefordert. Vor der UN–Vollversammlung ging der sonst vor allem aus dem Hintergrund agierende Aristokrat in die Offensive. Die Sanktionen seien gerechtfertigt, da die Islamische Republik die Waffenstillstandsresolution des Weltsicherheitsrates nicht befolge und den Krieg auf andere Golfstaaten und die Schiffahrt in der Region ausdehne. Zwei Gründe dürften die Saudis jetzt bewogen haben, erneut auf diplomatischen Konfrontationskurs zu gehen. Iran hat die Kompromißbereitschaft der vergangenen Wochen aufgegeben, und die USA haben ihre Entschlossenheit geäußert, das Khomeini–Regime zu beseitigen. Verhandlungsbereitschaft beendet Die Wiederaufnahme der irakischen Luftangriffe auf die iranischen Ölexporte und der US–Hubschrauberangriff auf das iranische Landungsboot „Iran Ajr“ dürften zur Verhärtung der iranischen Position geführt haben. Die Mullahs hatten UN–Generalsekretär Perez de Cuellar während seines Teheran–Aufenthalts eine informelle Feuerpause angeboten, falls eine Untersuchungskommission ihre Arbeit aufnehme, um den Aggressor im sieben Jahre alten Golfkrieg zu ermitteln. Auch Irans Staatspräsident Khamenei hatte in seiner Rede vor der UN–Vollversammlung am Dienstag vergangener Woche nicht alle Türen zugeschlagen. Erst das Versenken der „Iran Ajr“ in der Nacht zum Samstag hatte den Hardlinern in Teheran den Durchbruch ermöglicht. Zudem hatte der UN–Sicherheitsrat wenige Stunden zuvor das von den USA geforderte Waffenembargo erst einmal verschoben. Khomeini persönlich hatte wieder einmal die Entscheidung gefällt. Er hatte den Präsidenten beim Freitagsgebet nur mitteilen lassen, die USA würden auf den Angriff auf die „Iran Ajr“ eine Antwort erhalten. Die Hardliner konnten sich jetzt auch auf den Revolutionsführer berufen. Letzte Zweifel über die Rückkehr zur Fortsetzung des alten Kriegskurses wurden am Sonntag morgen beseitigt. Mit 24stündiger Verspätung meldeten die iranischen Medien, Parlamentspräsident Rafsanjani habe die Fortsetzung des Krieges bis zum Sturz des irakischen Präsidenten Saddam Hussein angekündigt. Rafsanjani, der sich seit Wochen zurückhaltend geäußert hatte, war auf den Zug aufgesprungen. „Die Islamische Republik beharrt auf ihre Entscheidung, den Heiligen Krieg nicht zu beenden, bis das irakische Volk von Saddam befreit ist.“ Und weiter: „Wir sind verpflichtet, den Krieg für eine lange Zeit fortzusetzen, des irakischen Volkes zuliebe und für eine Zusammenarbeit zwischen den iranischen und den irakischen Völkern für die Stärke des Islam und der Moslems und für die Befreiung der Region.“ Rafsanjani stellte den Irakern göttliche Strafe in Aussicht, falls sie im Gefolge der iranischen Kämpfer diese „wunderbare Möglichkeit“ nicht nutzen würden. In Teheran wird wieder das alte Konzept vertreten: Sturz des Baath–Regimes in Irak als Vorbedingung für einen Frieden, anschließende iranisch– irakische Zusammenarbeit zur Befreiung der Region. Diese Herausforderung beantwortete der saudische Prinz dann mit der Forderung nach wirtschaftlicher und politischer Isolierung Teherans. Das Auftreten von Caspar Weinberger dürfte die Saudis zu diesem Schritt ermutigt haben. Ganz direkt hatte der Falke aus Washington den Sturz der Ayatollahs in Teheran gefordert. Sein Land werde sich dafür einsetzen, daß so schnell wie möglich ein Waffenembargo gegen Iran verhängt werde. Und dann ließ Weinberger die Katze aus dem Sack: „Kurz danach oder vielleicht in einer längerfristigen Perspektive besteht die Notwendigkeit einer völlig unterschiedlichen Regierung in Iran, weil niemand mit diesem irrationelen und fanatischen Regierungstyp von der Art, wie sie ihn jetzt haben, auskommen kann.“ Gerade die arabischen Staaten werden versuchen, die US–Regierung beim Wort zu nehmen. Und dazu gibt es bereits einen guten Hebel. Mit großer Publizität wurde in der gesamten arabischen Welt registriert, daß die USA derzeit der größte Importeur iranischen Öls sind. Allein im Juli lieferte Teheran 19,6 Millionen Barrel für 359 Millionen Dollar, von Mai bis Juli bezogen die USA im Werte von 800 Millionen Dollar aus Iran. Teheran soll für 40 Millionen Dollar Ersatzteile für die Reparatur der bei den irakischen Angriffen zerstörten Einrichtungen auf den Ölfeldern oder den Ölverladeeinrichtungen erhalten. Damit wird die USA ähnlich wie im Falle der Waffenlieferungen an Teheran im Sommer vergangenen Jahres Wiedergutmachung leisten müssen. Die Teile der Washingtoner Administration, die Weinbergers Meinung vertreten, werden den arabischen Druck für ihre Absichten zu nutzen versuchen. Gleichzeitig zeigen dieser Aufschwung des US– Handels mit Teheran, daß die USA nach wie vor eine Politik des Kräfteausgleichs am Golf spielen. Wurde vor einem Jahr die irakische Luftüberlegenheit durch die Waffenlieferung an Teheran relativiert, so soll Iran jetzt durch die Ersatzteillieferungen in die Lage versetzt werden, den Ölexport aufrechtzuerhalten. Genau wie die Rücknahme aller bisherigen Ultimaten an Teheran durch die US–Regierung werden auch die guten Handelsbeziehungen von den Hardlinern genutzt werden. Trotz aller scharfen Äußerungen, gehe die USA ja doch nicht entschlossen gegen Iran vor, dürfte das Argument der Befürworter der Fortsetzung des Krieges lauten. Dabei zeichnet sich eine Rückorientierung Irans auf die Landfront ab. Im Golf selbst muß sich Teheran gezwungenermaßen zurückhalten. Iran kann keine Auseinandersetzung mit den USA eingehen, da für diesen Fall die eigenen Ölexporte gefährdet sind. Die vergangenen 48 Stunden haben gezeigt, daß die Minenwaffe stumpf wird. Amerikanische und britische Minensucher werden in den kommenden Stunden die Schiffahrtsrinne vor dem Scheichtum Dubai wieder räumen. Mit 30 Mienensuchbooten dürften die Nato–Staaten in wenigen Tagen in der Lage sein, die Aufrechterhaltung des Schiffsverkehrs mit kurzen Unterbrechungen zu garantieren. Neue Großoffensive im Landkrieg? Teheran ist vor diesem Hintergrund gezwungen, den Landkrieg zu intensivieren. Dabei können die Mullahs jedoch nicht ihren Abnutzungskrieg fortsetzen, da Irak die iranischen Ölexporte mit seinem Luftkrieg empfindlich getroffen hat und die Islamische Republik zunehmend von ihren Deviseneinnahmen abschneidet. Also spricht alles dafür, daß Teheran sich auf eine größere, den Krieg vorentscheidende Schlacht vorbereiten dürfte. Und genau an einer solch überhasteten Offensive hat Irak ein Interesse. Endgültig soll demonstriert werden, daß die Truppen Khomeinis nicht in der Lage sind, den Krieg militärisch zu entscheiden. Die einzige Chance für einen Waffenstillstand besteht jetzt darin, daß die Führung in Teheran doch noch in letzter Sekunde einlenkt und Perez de Cuellar eine Chance bekommt. Weinbergers Drohung und die ungewisse Perspektive im Krieg könnte die Einsicht in Teheran hervorbringen, daß die Fortsetzung der Kämpfe das Projekt Islamische Republik selbst gefährdet. In wenigen Tagen wird sich zeigen, ob Iran das Risiko der weiteren Eskalation eingehen will. William Hart
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen