Der Rhein soll endlich reiner werden

■ Die Umweltminister der Rheinanlieger–Staaten treffen sich heute in Straßburg / „Aktionsprogramm Rhein“ soll den Strom in drei Stufen sanieren / Ursachen des Rheintiersterbens immer noch ungeklärt / 1995 nur noch halb soviel Gift /Regelmäßige Kontrollen notwendig

Aus Freiburg Nikolaus Geiler

Bis zum Jahr 2000 soll im Rhein der Lachs wieder heimisch sein. Das wünschen sich die Umweltminister der Rheinanliegerstaaten, die sich heute - genau elf Monate nach der Sandoz–Katastrophe - in Straßburg treffen. Es gilt, ein Aktionsprogramm zu verabschieden, das den geplagten Strom in drei Stufen endgültig sanieren soll. 1995, so ein Punkt des Abkommens, dürften die Rheinverschmutzer nur noch halb soviel gefährliche Stoffe einleiten wie heute. Eine Schwarze Liste der EG umfaßt 129 Stoffe, die krebserregend oder erbgutschädigend sind, außerdem schwer abbaubar, weswegen sie sich in Lebewesen und im Sediment anreichern. Gerade die Schadstoffe im Sediment aber müssen weniger werden, wenn das Rheinwasser, das in Brunnen entlang des Stromes gesammelt wird, auch künftig zum Trinken geeignet sein soll. Umweltminister Klaus Töpfer möchte außerdem, daß alle Rheinanlieger eine „verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung“ einführen, wie sie das deutsche Wasserhaushaltsgesetz bereits enthält. Danach muß etwa die BASF nach einem Chemieunfall selbst dann für Rheinschäden aufkommen, wenn ihr keine Schuld nachgewiesen werden kann. Ob solches Krisenmanagement den Rhein reiner machen wird, ist fraglich. Dazu wären vor allem stärkere Regel–Kontrollen notwendig, bei denen nicht nur die Gifte, sondern auch ihre Wirkung rechtzeitig erkannt werden. Das ist allein mit sensiblen biologischen Wassertests möglich, wie sie zur Zeit in Rheinland–Pfalz mit menschlichen Zellkulturen erprobt werden: Enthält das Wasser Giftstoffe, so verläuft die Synthese der Erbsubstanz in den Zellkulturen nicht mehr einwandfrei. Nach acht Stunden weiß man, ob das Wasser gefährlich ist. Solche und ähnliche Meßsysteme müßten entlang des Rheins fest installiert werden. Nur so ließe sich vielleicht eine Ratlosigkeit wie zuletzt im August verhindern, als im südbadischen Rhein zwischen Weil und Breisach Kleintiere spurlos verschwanden, die zur Wasserfauna gehörten. Bis heute weiß keiner, warum. Zwar wurde eine Wasserfahne ermittelt, in der besonders viele Organismengruppen fehlten. Ihren Anfang nahm sie etwa da, wo die Kläranlage der Basler Chemiefirmen ausläuft. Und die befindet sich schon lange nicht mehr auf dem Stand moderner Abwassertechnik. Aber: Trotz des Einsatzes feinster Analyseverfahren ließen sich von Basel bis nach Holland keine ungewöhnlichen Schadstoffkonzentrationen feststellen, die den Kleintierschwund hätten erklären können; ein wirkliches Novum in der langen Geschichte der Flußkatastrophen. Bisher waren allenfalls die Einlei ter unerkannt geblieben, wenn die Giftwellen schwappten; so bei alljährlichen enormen Schadstoffspitzen im Untermain oder als im Sommer 1986 in der Saar die Fische starben. Dem zeitweiligen Exodus von Kleintieren im Rhein wäre man vielleicht auf die Spur gekommmen, wenn entlang des Stroms eine größere Zahl von Wasserproben ständig automatisch entnom men und aufbewahrt würden. Diese Rückstellproben könnten nicht verhindern, daß Kleintiere oder Fische sterben. Mit ihrer nachträglichen Analyse lassen sich aber mögliche Wasserverschmutzer besser einkreisen. Der Kleintierschwund wird vorerst ein Rätsel bleiben. Es wäre sogar möglich, daß er ein periodisches Dauerphänomen darstellt, dem man jetzt auf die Spur kam, weil der Bestand an Organismen erstmals sehr genau erhoben wurde. All dies kann bedeuten: Es gibt im Rhein zumindest zeitweise Gifte, die bereits in minimalen Mengen enorme biologische Folgen zeitigen und gleichwohl modernster Analytik nicht zugänglich sind. Ein solches Phänomen sollte allerdings bei den Rheinwasserwerken zu außerordentlicher Besorgnis führen.