Gremliza: Ich war Wallraff

■ Konkret–Gremliza verleiht den Karl–Kraus–Preis an Günter Wallraff / „Er hat keines seiner Werke geschrieben“ / Der Preis als Mogelpackung / Eine vernichtende Preisrede

Aus Hamburg Annette Garbrecht

Der diesjährige Träger des von Konkret–Herausgeber Hermann L. Gremliza gestifteten Karl– Kraus–Preis scheint ideal besetzt zu sein. Schon vor seiner Ehrung soll der Preisträger nach Darstellung Gremlizas die mit der Annahme des 30.000–Mark– Preises verbundene Verpflichtung, nie wieder zur Feder zu greifen, erfüllt haben. Günter Wallraff, der so Geehrte, hat keines seiner Werke geschrieben, sagt Gremliza. Das Buch „Der Aufmacher“ sei von der ersten bis zur letzten Seite an seinem, Gremlizas, Schreibtisch entstanden, ebenso der größte Teil des zweiten und ein kleiner Teil des dritten Bild–Buches. „Die anderen Teile und die anderen Bücher, Aufsätze, Rezensionen und Reden haben andere geschrieben.“ Was unter journalistischen Insidern seit langem kein Geheimnis mehr ist, machte Gremliza in Hamburg vor etwa 50 Zuhörern anläßlich der Verleihung des Karl–Kraus–Preises, eine hochgiftige Mogelpackung, öffentlich: Seine Annahme durch den Preisträger ist an die Bedingung geknüpft, „nichts dergleichen mehr zu tun, sondern einen nützlichen Beruf zu ergreifen“. Im letzten Jahr traf die Ehrung Fritz J. Raddatz, in diesem Jahr Günter Wallraff. In seiner Preisrede rechnete Gremliza mit Wallraff ab, eine Abrechnung, die, wie er selbst bekannte, auch eine mit sich selbst ist: „Denn am Erfolg jenes Wirkens, das ich nun beendet zu sehen wünsche, kann ich mich nicht unschuldig bekennen, und ich weiß, daß mein Sprechen weniger Anklang finden wird, als mein schweigendes Mitmachen gefunden hat.“ Wallraff, „der berühmte Schriftsteller, der nicht schreiben kann“ - und Kollegen dafür einspannte -, habe ein Werk geschaffen, „an dem nichts wahr ist, keine Erkenntnis, kein Gedanke, kein Wort. Jeder Satz meilenweit hinter und unter dem, was gedacht und geschrieben wurde, konsumierbar gemacht und vervielfacht, plattgehauen zu dünnsten Stereotypen, doch vorgetragen wie die letzten Worte vom Kreuz.“ Politisch habe er, der „enorm politische Sprengkraft“ für sich in Anspruch nähme, nichts bewirkt - die Auflage der Bild–Zeitung liegt nach Verkauf einer Million Enthüllungsbücher genau eine Million höher als zuvor -, literarisch verbreite er eine Sprache, „die auf den Strich geht, um die Heruntergebrachten anzumachen“. Und das, was allgemein als Wallraffiade bekannt geworden ist, macht Gremliza mit den Sätzen nieder: „Das Rollenspiel, die Verkleidung und Verstellung ... könnte immerhin künstlerischen Reiz gewinnen, wenn der Spieler ein Künstler wäre, der den Betrieb geistreich und exzentrisch auf den Kopf stelle, anstatt die Zeit, die er dort verbringt, damit zu vertrödeln, Fälle von mangelhafter Befolgung des Betriebsverfassungsgesetzes zu sammeln, die sich irgendwann zu Anfragen der Opposition an die Landesregierung verdichten lassen. Doch er bringt den Witz des Schalks, der ihm das Eindringen ermöglicht, sogleich herunter auf den Ernst des Sozialpädagogen, der an den Petitionsausschuß schreibt.“