Aufrüstung der „Inneren Sicherheit“

■ Einigung der Koalitionspartner auf neue Gesetze zur „Inneren Sicherheit“ / Kronzeugenregelung beschlossen „Öffentliche Befürwortung von Gewalt“ soll strafbar werden / Sicherheitsgesetze auf dem Weg

Aus Bonn Oliver Tolmein

Mit deutlichen Zugeständnissen der FDP endete gestern Mittag die Koalitionsrunde zum Thema „Innere Sicherheit“. CDU/CSU und FDP einigten sich darauf, daß vom Bundesjustiz– und Bundesinnenministerium Gesetzentwürfe zur Kronzeugenregelung, zur Bestrafung von „öffentlicher Befürwortung von Gewalt“, zu einem „strafbewehrten Verbot der pas siven Bewaffnung“ sowie zur Erweiterung des Haftgrundes Wiederholungsgefahr erarbeitet werden. Lediglich das strafbewehrte Vermummungsverbot wurde aus dem geplanten Gesetzespaket herausgelöst. Nach Auskunft des Innenministeriums sollen die Gesetze noch in diesem Herbst verabschiedet werden. Das wird kaum auf Probleme stoßen, weil nach Informationen der taz die Ministerien die entsprechenden Gesetzentwürfe bereits erarbeitet haben und diese nur noch abgestimmt werden müssen. Auch die Gewaltkommission soll in diesem Jahr eingesetzt werden. Die genaue Besetzung, über die es erhebliche Unstimmigkeiten zwischen FDP und CSU gibt (die taz berichtete), soll „in Kürze“ vom Innen– und Justizministerium gemeinsam festgelegt werden. Außerdem soll das überarbeitete Paket der Sicherheitsgesetze, die die Zusammenarbeit von Nachrichtendiensten und Polizei regeln, eingebracht werden. Dieses Paket war in der letzten Legislaturperiode am FDP–Widerstand gescheitert. Einschneidende Folgen kann die Einführung des Straftatbestandes „Öffentliches Befürworten von Gewalt“ als Ergänzung zum Paragraphen 130a haben. Fortsetzung auf Seite 2 Kommentar auf Seite 4 Der Tatbestand, den zu regeln ein altes Anliegen der CSU ist, ist sehr viel weiter gefaßt als der frühere Paragraph 88a (“Verfassungsfeindliche Befürwortung von Straftaten“), der als Zensurparagraph auf heftigen Widerstand in der liberalen Öffentlichkeit gestoßen ist. Auch das strafbewehrte Verbot der „passiven Bewaffnung“ kann folgenreich sein: Derzeit ist „passive Bewaffnung“ als Vergehen (Höchststrafe ein Jahr) im Paragraphen 125 Landfriedensbruch geregelt. Der Begriff der „passiven Bewaffnung“, zu der heute schon Helme gehören, könnte mit dem neuen Gesetz noch weiter ausgedehnt werden und das „strafbewehrte Vermummungsverbot“ überflüssig machen. Die Kronzeugenregelung, wie sie jetzt beschlossen worden ist, wird sich von dem im Herbst letzten Jahres heftig umstrittenen Entwurf nur dadurch unterscheiden, daß „Terroristen“, die einen Mord begangen haben, nur Strafmilderung, jedoch keine völlige Straffreiheit erhalten können. Entscheidender ist allerdings, daß Straferlaß oder Strafmilderung wahrscheinlich vom Generalbundesanwalt in Zusammenarbeit mit dem Ermittlungsrichter entschieden werden sollen. Damit sind die Kronzeugen der ordentlichen Gerichtsbarkeit entzogen. Die Überprüfung ihrer tatsächlichen Aktionen und Identität - etwa für Verteidiger von Personen, die aufgrund von Kronzeugenaussagen angeklagt werden, wäre kaum überprüfbar. Der innenpolitische Sprecher der SPD–Fraktion äußerte nach Bekanntgabe der Ergebnisse der Koalitionsrunde, die FDP habe klein beigegeben und damit ihr Gesicht in der Innenpolitik endgültig verloren. In Koalitionskreisen wird darauf verwiesen, daß nur die „Erarbeitung“ der Gesetzentwürfe beschlossen worden sei, nicht deren Verabschiedung.