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Für die Polizei war sofort alles klar

■ Vier Berliner gerieten vor Wackersdorf in eine Verkehrskontrolle / Aus üblichen Reiseutensilien bastelte die Polizei einen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz

Berlin (taz) - „In der Nähe der Autobahn bei Amberg wurden vier junge Leute festgenommen, in deren Auto Bestandteile für Molotowcocktails gefunden wurden.“ Die von der Agentur ap am 9.10.87 verbreitete Meldung ist in mehreren Zeitungen abgedruckt worden. Acht Kilometer vor Schwandorf, in der Nähe von Wackersdorf, so schilderte eine der vorübergehend Festgenommenen der taz die Polizeiaktion, waren sie in eine der vielen Verkehrskontrollen geraten. Den besonderen Argwohn der Beamten erregten die im Kofferraum gelagerten Zahnbürsten, Motoröl, ein mit Benzin gefüllter Ersatztank, Fensterreinigungsmittel, Terpentin und eine leere Flasche Multivitaminsaft, den die vier Autoinsassen auf ihrem langen Weg von Berlin nach Bayern ausgetrunken hatten. Für die Polizei, so die Berlinerin zur taz, war damit alles klar: „Die Gegenstände werden fotografiert, wir sind festgenommen und werden gefilmt, nach weiteren Waffen durchsucht. Unser Protest wird belächelt, ebenso unser Einwand, ein altes Auto brauche ab und zu Öl, außerdem müsse man auf dem langen Weg durch die DDR einen Ersatzkanister Benzin mitnehmen, Terpentin diene dem Säubern der Hände, Fensterglasreiniger dem Reinigen der Scheiben ... Dies alles wird mit dem Paragraph 27 - Verstoß gegen das Versammlungsgesetz - zurückgewiesen.“ Der Fahrer wird dem Haftrichter vorgeführt und erkennungsdienstlich behandelt, „denn er ist ja schließlich der Hauptverantwortliche für sein Auto und die entsprechenden Gegenstände“. Nach sechs Stunden werden die Vier freigelassen. „Meiner Meinung nach können wir uns nur zwischen zwei Konsequenzen daraus entscheiden: Entweder kämpfen wir in Zukunft mit dem Recht auf Versammlungsfreiheit auch für das Recht des Autofahrers auf das Mitführen notwendiger „Reiseutensilien“ oder AutofaherInnen. Überlegt euch in Zukunft, was euch lieber ist: eure Freiheit oder euer Auto.“ taz

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