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Südafrika–Uran für deutsche AKW

■ RWE setzt in seinen AKW Brennstoff aus Südafrika ein / In der UdSSR angereichert, in den USA verarbeitet

Von Helmut Lorscheid

Bonn (taz) - Das Rheinisch– Westfälische Elektrizitätswerk setzt in seinen Atomkraftwerken südafrikanisches Uran ein. Das beweisen Dokumente aus den USA, die jetzt erstmals vorliegen. In den Dokumenten wird weiter angekündigt, daß Mitte Oktober 20 Tonnen südafrikanisches Uran aus der BRD in die USA verschifft werden sollen, um dort weiterverarbeitet und dann an den „Endverbraucher RWE“ zurückgeliefert zu werden. Die 20 Tonnen südafrikanisches Uran wurden zunächst in Großbritannien von der British Nuclear Fuels Ltd. (BNFL) zu Uranhexafluorid verarbeitet und dann bei „Technabexport“ in der Sowjetunion angereichert. In der BRD wurde das angereicherte Uran an bisher unbekanntem Ort zwischengelagert, bis es jetzt nach seiner Verschiffung von der Siemens–Tochter „Advance Nuclear Fuels Corporation (ANF)“ in Richland im US–Bundesstaat Washington zu Brennelementen verarbeitet wird. Die AFN liefert schließlich den Brennstoff dem Endverbraucher RWE. Das RWE ist Betreiber bzw. Hauptaktionär der AKWs Biblis A und B, Grundremmingen und Mülheim–Kärlich. Der taz liegt in Kopie die eidesstattliche Erklärung von Charles W. Malody vor, dem Manager von AFN. Dieser erklärte gegenüber der US–amerikanischen Atomkontrollbehörde, daß die zum Siemens–Konzern gehörende AFN vorhabe, „angereichertes Uranhexafluorid, das ungefähr 20 Tonnen Uran südafrikanischen Ursprungs enthält, am oder um den 15. Oktober 1987“ aus der EWG zu importieren. Die Einfuhr findet unter der Lizenz Nr. ISNM83025 statt. Malody nannte in dieser eidesstattlichen Erklärung, die das US–Gesetz für die Ein– und Ausfuhr solch „sensibler“ Frachten vorschreibt, als Endverbraucher explizit das RWE. Fortsetzung auf Seite 2 In einem weiteren Schreiben vom 2. September 1987 an die Aufsichtsbehörde schildert Malody Einzelheiten des komplizierten Weges des südafrikanischen Urans in die RWE–Atomkraftwerke. Ausdrücklich wird darin das RWE als Käufer, Südafrika als Ursprungsland und die Sowjetunion als Anreicherungsort genannt. Schon 1984 habe ANF einen Vertrag über die mehrjährige Lieferung von nuklearem Brennstoff für eine „Anzahl Kraftwerke mit dem RWE abgeschlossen. Als Teil seiner vertraglichen Verpflichtung gegenüber ANF hat RWE 20 Tonnen Uran in Form von UF6 von der STEAG gekauft, das dann in der Sowjetunion angereichert worden ist. „...Ursprung des Urans war Südafrika...“ Dr. Buelow, Pressesprecher beim RWE in Essen, bestätigt die Richtigkeit des Vertrages mit ANF. Es treffe weiterhin zu, „daß im Oktober 87 circa 20 Tonnen Uranhexafluorid, das in der Sowjetunion angereichert wurde, an ANF zur Weiterverarbeitung geliefert werden“. Das RWE bestreitet jedoch, „daß gegenwärtig Uran aus Südafrika und Namibia bezogen wird“. Angeblich erfolgten „die letzten Lieferungen aus Südafrika im Jahre 1984“. Die Formulierung „gegenwärtig“ in diesem Dementi gibt zu Spekulationen Anlaß. Tatsächlich wird dieses Uran ja „gegenwärtig“ irgendwo in der BRD gelagert. In Frage kommen unter anderem Gronau, das niedersächsische Uranlager Leese sowie Hanau. Die Essener STEAG, im Schreiben Malodys als Verkäufer des Urans an das RWE genannt, läßt ihren Sprecher Weber erklären, STEAG habe zu keiner Zeit Uran aus Südafrika oder Namibia an die britische BNFL geliefert. Auch der Sprecher der sowjetischen Anreicherungsfirma Technabexport in der sowjetischen Handelsabteilung in Köln, Sidorow, dementierte, daß in der Sowjetunion Uran aus Südafrika und Namibia angereichert werde. In den neueren Verträgen stehe sinngemäß, daß „Technabexport“ seine Kunden bitte, „zu Anreicherungszwecken nicht Uran aus Südafrika und Namibia zu benutzen“. Sidorow: „Das bedeutet - wir akzeptieren Uran aus Südafrika nicht.“ Die Siemens–Tochter ANF schließlich beteuert, sich an das US–amerikanische Anti–Apartheid–Gesetz zu halten, das seit 1986 die Einfuhr von Uran–Erz und Uranoxid aus Südafrika untersagt - nicht jedoch die Weiterverarbeitung von Uranhexafluorid. Der Pressesprecher des Unternehmensbereichs KWU - zu dem ANF bei Siemens gehört - Wolfgang Breyer, erklärt zusätzlich: „ANF hat keinen Einfluß auf die Herkunft des Urans. Das Unternehmen stellt Brennelemente für Kernkraftwerke her, wobei das angereicherte Uran vom Betreiber des jeweiligen Kernkraftwerkes beigestellt wird.“ Also liegt der schwarze Peter beim RWE. Buelow erklärte gegenüber einem Bonner Journalisten, man habe „ältere Verträge mit der Sowjetunion“, darin sei die Klausel der Nicht–Akzeptanz des südafrikanischen beziehungsweise namibischen Urans noch nicht enthalten. „1973 stand das noch nicht in den Verträgen“. Somit stellt sich die Frage, ob Technabexport tatsächlich südafrikanische Uranlieferungen aufgrund „älterer Verträge“ akzeptiert. In den USA kämpfen Anti– Apartheid–Organisationen, die die Dokumente beschafft haben, für einen umfassenden Boykott südafrikanischen Urans. Ihrer Ansicht nach, so formuliert es Tom Buchanan, verstößt dieser Deal zumindest gegen den „Geist des Anti–Apartheid–Gesetzes“ der USA. Nach Buchanas Informationen sind die fraglichen 20 Tonnen nur Teil einer Gesamtlieferung von 167 Tonnen Uran aus Südafrika, die für bundesdeutsche AKWs bei ANF zu Brennelementen verarbeitet wurde und werden. Tom Buchanan hatte Petra Kelly über den Deal informiert. Die Grüne–Vertreterin für den Landschaftsverband Rheinland im Verband der Kommunalen Aktionäre des RWE, Renate Berger, bezeichnete gegenüber der taz den Bezug von Uran aus Südafrika als „riesigen Skandal“. Mit Anfragen und Anträgen in verschiedenen Kommunen, die über RWE–Anteile verfügen, soll diese Kumpanei mit dem Apartheid–Staat ebenso angeprangert werden wie die Teilnahme von RWE–Vertretern an einer Konferenz der Großkraftwerksbetreiber im November dieses Jahres in Südafrika (die taz berichtete).

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