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ALKEM–Prozeß: Die Unschuld von Wiesbaden

■ Staatsanwaltschaft beantragt Freispruch für Ministerialbeamte / Keine Straftat - Keine Beihilfe

Von Klaus–Peter Klingelschmitt

Hanau (taz) - Am Ende ihres fünfstündigen Plädoyers im Hanauer ALKEM–Prozeß forderten die Staatsanwälte Hübner und Geschwinde gestern vor den Schranken der 5. Umweltstrafkammer des Landgerichts Freispruch für die angeklagten Ministerialbeamten Thurmann, Frank und Hecker. Nach der Argumentation der Staatsanwaltschaft habe den Managern der Plutoniumfabrik nicht nachgewiesen werden können, daß sie „gegenüber der Behörde“ auf die Erteilung der umstrittenen Vorabgenehmigungen gedrängt hätten. Da der Paragraph 321 des Strafgesetzbuches (StGB) jedoch nur das vorsätzliche Betreiben einer nichtgenehmigten atomaren Anlage unter Strafe stelle, könne gegen die ALKEM–Geschäftsführer strafrechtlich nicht vorgegangen werden. Wie Staatsanwalt Geschwinde ausführte, entfalle somit für die angeklagten Ministerialbeamten Frank Thurmann, Hermann Frank und Angelika Hecker auch der Straftatbestand der Beihilfe zur Straftat des illegalen Betriebs einer Atomanlage: Keine Straftat - keine Beihilfe. Mit ihrem Plädoyer auf Freispruch der angeklagten Ministerialbeamten hat die Hanauer Staatsanwaltschaft gleichzeitig das Ende im abgetrennten Verfahren gegen die Atommanager Stoll und Warrikoff (CDU–MdB) vorstrukturiert. Fortsetzung auf Seite 2 Kommentar auf Seite 4 Freispruchanträge auch für die Geschäftsführer der Plutoniumfabrik. Allerdings ließ die Staatsanwaltschaft keinen Zweifel daran, daß die vom hessischen Wirtschaftsministerium in den vergangen Jahren erteilten Vorabzustimmungen für die ALKEM „rechtswidrig und damit nichtig“ seien - unabhängig davon, ob sie sicher heiterhöhnenden (!, d.k.) oder sicherheitsmindernden Charakter gehabt hätten. Staatsanwalt Geschwinde stellte weiter fest, daß die angeklagten Staatsbeamten diese Rechtswidrigkeit billigend in Kauf genommen hätten, um die Forderungen des geänderten Atomgesetztes nach Öffentlichkeitsbeteiligung im Genehmigungsverfahren zu umgehen. In einem „hochsensiblen Bereich staatlicher Verantwortung“ hätten sich die Beamten somit „Ab wägungsdefizite“ zu Schulden kommen lassen. Daß diese Beamten dennoch mit Freisprüchen in der Tasche das Hanauer Landgericht werden verlassen können, falls das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft folgt, haben sie demnach nur dem Umstand zu verdanken, daß den ALKEM–Geschäftsführern die Kumpanei mit dem Ministerium zur Hintergehung der Öffentlichkeit nicht nachgewiesen werden kann. ALKEM habe zwar diverse Entscheidungen über Produktionsänderungen von der Behörde gefordert. Deren Genehmigung - ob auf dem Boden des Rechts oder unter Zuhilfenahme illegaler Vorabzustimmungen - sei dagegen alleine Sache der Genehmigungsbehörde gewesen. Welche verwaltungs– oder strafrechtlichen Konsequenzen sich aus der staatsanwaltschaftlichen Feststellung der Illegalität der Plutoniumfabrik ALKEM ergeben, bleibt abzuwarten. Mit dem Urteil im ALKEM–Prozeß wird für November gerechnet.

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