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Keine Pfütze für Uwe B.

Am Vorabend der von Innenminister Zimmermann zum Staatsakt erklärten Trauerfeier erinnert in Kiel nichts, rein gar nichts an das bevorstehende Ereignis. Das Kondolenzbuch im Landeshaus ist seit Pfeiffers Auftritt vor dem Untersuchungsausschuß verschwunden. In der Fußgängerzone erledigen frierende Menschen ihre Einkäufe. Um seine Meinung gefragt, knurrt der Augenoptiker in der Holstenstraße: „Lassen Sie mich in Ruhe, ich kann das Thema nicht mehr hören. Wir Kieler interessieren uns nicht mehr dafür.“ Doch während der Mann ein Brillengestell anpaßt, murmelt er: „Also ich find die Freya merkwürdig, trauert die wirklich?“ Diese Frage beschäftigt viele Schleswig–Holsteiner mehr als das Problem, ob es nun Mord oder Selbstmord war. Mit dem Thema „sind wir durch“, heißt es auch in einer nordfriesischen Wohnstube, fernab von der Landeshauptstadt. Die Nachricht der Tagesschau–Sprecherin, am Dienstag sei Trauerbeflaggung angeordnet, löst Erstaunen aus. „Was soll das, er war zwar Ministerpräsident, aber er hat genug Dreck am Stecken, und beerdigt wird er ja auch nicht“, sagt die Hausfrau. Dabei, so weiß die anwesende Kusine, „wird keiner heulen, bis die Pfützen kommen“. Sie, eine Krankenschwester in den dreißigern, erzählt, daß das „Thema allgemein abebbt“. Vor wenigen Wochen noch hat Frau beim Frisör, Bäcker oder Schlachter kaum über etwas anderes gesprochen. Damals, am Todestag von Barschel, hatten sich etwa fünfzig Menschen vor dem Kieler Landeshaus versammelt und in ihrer Erregung ankommende SPD–Parlamentarier ausgebuht. Ein CDU– Mitglied erklärte kurz und bündig: „Barschel ist von den Journalisten und der SPD und Herrn Engholm in den Tod getrieben worden.“ In den folgenden Tagen häuften sich Morddrohungen und Beschimpfungen gegen die Mitglieder des Untersuchungsausschusses, die mit ihrer Arbeit Barschel in den Tod getrieben haben sollen. Zwei Tage lang standen Menschen Schlange vor dem Kondolenzbuch für den toten ehemaligen Ministerpräsidenten. „Ich glaube zutiefst an das gegebene Ehrenwort“ oder „wir sind bestürzt über die Machenschaften gegen Uwe Barschel und glauben an sein Ehrenwort“ steht dort zu lesen. Andere „verehren ihn als konsequenten Kämpfer für den freiheitlichen Rechtsstaat“. So wie eine CDU–Wählerin aus Westerland auf Sylt in einem Leserbrief schreibt: „Dr. Barschel war mein Ministerpräsident. Ich glaube noch heute an sein Ehrenwort und bin sicher, daß viele Menschen so denken wie ich.“ „Fassungslos“ auch Kurt W. aus Satrup: „Der politisch integere Uwe Barschel wurde von seinem politischen Gegner zu Tode gehetzt.“ Er hält es für möglich, daß die „Spiegel–Geschichte“ eine ähnliche Fälschung ist wie damals die Hilter–Tagebücher im Stern. „Wo leben wir eigentlich“, fragt sich Annemarie I. aus Flensburg, daß ein „fragwürdiger Journalist einen bis dahin unbescholtenen Mann wie den Ministerpräsidenten derartig diffamieren und solange durch die Medien schleifen kann, bis ihm nur noch der Tod als letzter Ausweg bleibt“. Mittlerweile ist die unmittelbare Empörung verpflogen. Jetzt, wo die Presseerklärungen der Parteien sich jagen, Namen durcheinander wirbeln, blickt schon keiner mehr durch. Außer, daß „da an den Vorwürfen was dran ist“, wie es heißt. „Die müssen aufräumen und alle Leute in der Regierung und Staatskanzlei auswechseln“, sagt ein langjähriges CDU–Mitglied heute. Damit ist auch für ihn das Thema erledigt. Nachdem sich auch allgemein verbreitet hat, daß Freya Barschel aus einer „verarmten Nebenlinie der Bismarcks“ stammt und wohl deshalb das Flair einer Tiefkühltruhe verbreitet, beherrscht erneut die schlechte Rübenernte die Dorfgespräche. Und doch genügt eine hitzige Fernsehdiskussion, den am liebsten verdrängten Morast an der Kieler Förde wieder aufzuwühlen. Atemlos verfolgen die Gucker den verzweifelten Versuch von NDR–Redakteur Ulrich Kienzle, die versammelten Chefs oder Leitartikler von Bild, Welt, Süddeutscher Zeitung, Stern und Klaus Bölling zu einer geordneten Diskussion über die „vierte Gewalt“ im Zusammenhang mit Waterkantgate zu bewegen. Kienzle nennt es „degoutant“, wie die Herren sich anbrüllen, so daß die Zuschauer kein Wort mehr verstehen. Bölling schimpft den Löwenstern (Welt) einen „authentischen Neofaschisten“. Der näselt zurück: „Grauenhaft diese Typen“ und behauptet frech, Barschel habe „die Sache nicht inszeniert. Die Steueranzeige war so angelegt, daß sie Engholm gar nicht schaden konnte.“ Ergo: Die SPD hat das Ding selbst gedreht. Eine Verkehrung der Tatsachen, der die Springer– Presse seit Wochen anhängt. Der Bild–Redakteur Kenntemich fragt, warum der Stern „Barschel nicht aus der Badewanne gezerrt hat“ und versichert, seine Reporter hätten es getan. Daß dieses Blatt die Aufklärung der Todesursache einer Hellseherin überließ, die mit Barschel im Jenseits konferierte (“Ich starb im Fernsehsessel“) hält der Boulevardjournalist furchtbar kritisch für „eine Frage des Geschmacks“. Bis vor wenigen Tagen stand Pfeiffer in Diensten des Springer– Konzerns, kein Grund, in der Berichterstattung nicht weiter nahezulegen, „Pfeiffer sei Psychopath oder vom Osten gesteuert“, wie Klaus Kister von der Süddeutschen bissig anmerkt. Kommentar der nordfriesischen Hausfrau: „Das ist ja spannender wie ein Krimi. Aber der Pfeiffer dreht allen Parteien noch das Genick um.“ Das ist (leider) mehr als fraglich. Petra Bornhöft/Henrich Fenner

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