Tausende evakuiert: Gift über Nantes

■ Bei einem Brand in einem Düngemittellager wurde eine riesige Giftgas–Wolke frei / Katastrophenplan lief an, der auch für Atomunfälle gedacht ist / Zunächst Unklarheit über die genaue Zusammensetzung des Gifts / Zufahrtsstraßen gesperrt

Paris/Nantes (afp/taz) - In der westfranzösischen Hafenstadt Nantes hat am Donnerstag mittag die Evakuierung mehrerer zehntausend Menschen begonnen, um sie vor einer hochgefährlichen Giftwolke in Sicherheit zu bringen. Die französischen Behörden ließen den umfassendsten in unse rem Nachbarland vorgesehenen Katastrophenplan ORSEC anlaufen, der auch für Atomkatastrophen gedacht ist. Die giftigen Substanzen entwichen seit dem Vormittag aus einem Düngemittellager mit 850 Tonnen Ammonsalpeter im Hafen, das durch einen Kurzschluß in Brand geraten ist. Die weißlich–gelbe Wolke, die Chlorgas und Nitratdämpfe enthielt, stand über einem 20 Kilometer langen und mehrere Kilometer breiten Gebiet. Nach zunächst vorliegenden Meldungen wurde bis zum frühen Nachmittag niemand verletzt. Der Krisenplan „Orsec“ be deutet, daß alle Mittel zur Evakuierung der gefährdeten Bevölkerung eingesetzt werden können. Die Bewohner wurden aufgerufen, möglichst mit eigenen Fahrzeugen die Gefahrenzone zu verlassen. Gleichzeitig lief die Massenevakuierung mit Autobussen an. Am Nachmittag befanden sich alle öffentlichen Dienste, Feuerwehr, Polizei, Zivilschutzdienst und die Armee zu Evakuierungsmaßnahmen im Einsatz. Alle öffentlichen Transportmittel wurden beschlagnahmt. Augenzeugen sprachen nicht von Panik, jedoch von einem großen Informationsmangel. Im Radio empfahlen die Verkehrsnachrichten, Nantes und Umgebung zu vermeiden. Mehrere Zufahrtsstraßen zu der Stadt waren gesperrt. Während am frühen Nachmittag bereits etwa 1.000 Menschen evakuiert waren, sprach der Präfekt von der Notwendigkeit, insgesamt 50.000 Menschen aus sechs Gemeinden miteinzubeziehen. Unklarheit besteht immer noch über die Art des ausgeströmten Giftgases. Das Pariser Umweltministerium meldete am Donnerstag daß es sich lediglich um Reizstoffe wie Stickoxyde handeln würde und eine Evakuierung lediglich aufgrund der Explosionsgefahr im Hafen vorgenommen würde. Dem widersprechen die Annahmen der Präfektur, da die reine Explosionsgefahr das angekündigte Ausmaß der Evakuierung kaum rechtfertigen würde. Um 16 Uhr meldete die Präfektur in Nantes, der Brand im Hafen befände sich unter Kontrolle. Der Giftgehalt in der Luft nehme ab. An den Evakuierungsmaßnahmen wurde trotzdem festgehalten.