: Im Stillen Ozean wird es immer lebendiger
■ Das fünfte Treffen der „Pazifischen Anti–Atom– und Unabhängigkeits–Bewegungen“ brachte AktivistInnen aus dem gesamten pazifischen Raum zusammen / Es ging um Landrechte, US–Stützpunte, Atomwaffenfreiheit und Neu–Kaledonien
Aus Manila Eckart Garbe
Am Sonntag ging in Manila das fünfte Treffen der „Nuclear Free and Independent Pacific Movements“ (NFIP) zuende. Eine Woche lang beschäftigte sich das seit 1975 bestehende breite Bündnis aus Befreiungsbewegungen und Gewerkschaften, Bürgerinitiativen, Grass–Roots–Gruppen und bedrohten Völkern aus dem Pazifikraum mit dem Kampf um Landrechte in Australien, Neuseeland und auf Hawaii, den jüngsten Streiks auf Tahiti, dem Militarismus auf Okinawa und einer Vielzahl anderer Themen. Vom Kirchenmann aus Tonga und Frauen von den Salomonen–Inseln bis zum Ex–UNO–Botschafter aus Kiribati, von Vertretern aus Hongkong, Südkorea und Südostasien über eine siebenköpfige Beobachterdelegation aus Europa waren Hinz und Kunz aus der Aktivistenszene angereist. Namen und Leute, die in Europa kaum bekannt sind: Kevin Tory aus Australien, Charlie Ching, der direkt aus dem Knast von Tahiti kam, Hiro Umebayashi aus Japan und viele andere zeigten: Im pazifischen Inselraum, der durch die europäische Brille betrachtet oft als Inbegriff des stillen, friedlichen Ozeans erscheint, wird auch auf den kleinsten Inseln um elementare Rechte gekämpft. Da ist zum Beispiel die Geschichte des Vorsitzenden des ständigen NFIP–Komitees, des Rechtsanwalts Roman Bedor aus Belau. Für die USA ist das formell unabhängige Land von großer strategischer Bedeutung, da die Insel als Ausweichplatz für ihre beiden großen Militärbasen auf den Philippinen in Betracht kommt. Doch dreist hatte sich die kleine 15.000 Seelen–Nation 1981 als weltweit erstes Land zur atomfreien Zone erklärt und dies obendrein verfassungsmäßig festgeklopft. Seither haben die USA sage und schreibe zehn Referenden initiiert, um die Atomfreiheit der Mini–Republik ins Wanken zu bringen. Roman Bedor hatte jetzt erstmals Gelegenheit, Einzelheiten im Zusammenhang mit den beiden letzten Urnengängen im August zu berichten. Die durch Korruption hochverschuldete Administration von Belau und die USA, deren Stützpunkte–Abkommen mit den Philippinen 1991 ausläuft, setzten Ende August drastisch auf außergesetz liche Mittel, um den jahrelangen Widerstand endlich zu brechen. Roman Bedor: „Nachts herrschte in den Wochen vor dem letzten Referendum der Mob. Am ersten September–Wochenende explodierten Bomben, in der Stadt herrschte Chaos. Viele Leute wurden bedroht. Dann kamen bewaffnete Männer zu meinem Büro. Ich selbst war nicht da. Doch Nachbarn erzählen, das Licht ging aus, dann wurde geschossen. Mein Vater, der das Büro bewachte, traf getroffen zusammen. Als ich zum Büro kam, ging das Telefon nicht. Als wir meinen Vater ins Krankenhaus brachten, waren keine Ärzte da. Mein Vater starb am nächsten Morgen. Aus Angst haben einige von uns inzwischen das Land ver lassen. Ich weiß, daß man mich ermorden wollte und aus Versehen meinen Vater traf. Aber ich gebe nicht auf.“ Berichte dieser Art waren auf der 5. NFIP–Konferenz viele zu hören: ob aus Hawaii, West–Papua oder Ost–Timor. John Dakuvula berichtete über den zweiten Putsch auf Fiji und die Razzien der Soldateska von Putsch–Oberst Rabuka, dem selbsternannten neuen Staatschef, gegen die Aktivisten der Anti–Atomkraft–Gruppe Fang auf Fiji. Yann Uregei und die kanakische Delegation schilderten die Situation in Neukaledonien nach dem Referendum dort. Frankreich scheint unter keinen Umständen bereit, auch nur einen Zentimeter seines pazifischen Kolonialbesitzes preiszugeben. Die jüngeren Delegierten ließen keinen Zweifel daran, daß die kanakische Revolution jetzt in eine radikalere Phase tritt. Sie beeindruckten in Manila durch die schärfsten Analysen und durch ihren großen Kampfgeist. Sie marschierten auch ganz vorn mit, als die Delegierten der 5. NFIP– Konferenz zusammen mit philippinischen Gruppen am Freitag mittag auf Manilas Roxas–Boulevard vor der US–Botschaft gegen Basen, Atomwaffen und den Großmacht–Militarismus der USA protestierten. Auch Frankreich wurde wegen seines Verhaltens gegenüber Neukaledonien und Tahiti verurteilt.
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