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Jugoslawien: Niemand will es so richtig glauben

■ Preissteigerungen und Lohnstopp rufen Bestürzung und Unwillen hervor / Selbst Jugoslawiens Parteipresse bezweifelt den Wert der Maßnahmen der Regierung Nikolic

Pristina (taz) - „Jetzt ist sogar der Volksfladen für viele unerschwinglich geworden“, erklärt eine Verkäuferin im staatlichen Laden in Pristina, der Hauptstadt der autonomen Provinz Kosovo im Süden Jugoslawiens, „und die Löhne sollen auch nicht mehr steigen. Wir haben jetzt schon eine Inflation von 160 Prozent. Wie sollen wir da noch leben?“ So richtig will es in Jugoslawien noch niemand glauben. Die Preise sind gestern um sechzig Prozent für Grundnahrungsmittel und um 70 Prozent für andere Waren des täglichen Bedarfs angehoben worden und sollen auf diesem Niveau bis Juni 1988 festgeschrieben werden. Künftig wird ein Kilo Brot zwischen zwei und drei Mark kosten, ein Kilo Zucker gar über zwei Mark. Fleisch wird teurer als in Deutschland sein und das bei Löhnen, die schon jetzt zum großen Teil unter dem Existenzminimum liegen. „Ich verdiene als Fabrikarbeiter mit 29 Arbeitsjahren gerade 90.000 Dinar, das sind nach eurem Geld 150 D–Mark im Monat. Und dabei muß ich noch meine arbeitslosen Verwandten durchfüttern“, beklagt sich ein albanischer Fabrikarbeiter, der sich nicht nehmen ließ, nach dem Gespräch den Tee zu bezahlen. Daß der Preisstopp der Regierung Erfolg haben könnte, wird sogar in der jugoslawischen Parteipresse angezweifelt. Die schon in der Vergangenheit angekündigten und durchgeführten Preisstopps sind bisher jedesmal durch die Betriebe durchbrochen worden. Die Hoffnung der Regierung Nikolic, mit diesem dirigistischen Mittel die Inflation zu drücken, scheint tatsächlich auf Sand gebaut: zum einen stehen nicht alle Teilrepubliken des Vielvölkerstaates hinter den Maßnahmen der Regierung, zum andern hilft der Beschluß nicht, die defizitären Betriebe zu sanieren und die Arbeitsproduktivität zu erhöhen.

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