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Grüner Wirbel in Goiania

■ Bundestagsabgeordneter Daniels stellte mit eigenem Meßgerät vor Ort hohe Bequerel–Werte außerhalb der abgesperrten Zonen fest / Atombehörde stellt Strafantrag / Polizei: „Neue Panik“

Goiania (taz/afp) - Erheblichen Wirbel hat der Besuch des Bundestagsabgeordneten der Grünen Wolfgang Daniels in Goiania verursacht. Daniels hatte mit einem Strahlenmeßgerät außerhalb der nach dem Strahlenunfall abgesperrten Zonen „alarmierende Strahlenwerte“ ermittelt. Seine Messungen und seine Stellungnahme gegenüber der Presse hätten eine erneute Panik in der Bevölkerung ausgelöst, erklärten Polizeisprecher in Goiania. Nach Angaben seines Bonner Büros werde versucht, Daniels aus Brasilien auszuweisen. Die brasilianische Atomenergiekommission CNEN hat inzwischen Strafanzeige gegen den Abgeordneten gestellt, die brasilianische Bundespolizei hat die Ermittlungen aufgenommen. Daniels, der promovierter Physiker ist, hatte außerhalb der abgesperrten Zonen an einzelnen Punkten Werte von 800 bis 1.000 Becquerel pro cm2 gemessen. Das entspreche dem Hundertfachen der nach Tschernobyl in Süddeutschland gemessenen Boden– Spitzenwerte. Die Höhe der Kontaminierung außerhalb der isolierten Zonen sei beunruhigend. Die ganze Stadt sei zwar nicht verseucht, aber es gebe einzelne hochbelastete Stellen. Physiker der CNEN kritisierte er als in Deutschland ausgebildete „professionelle Verharmloser“. Ihre Messungen stimmten mit seinen in keiner Weise überein. Die abgesperrten Zonen müßten erweitert werden. Gefahr bestehe vor allem für die Kinder, die in der Nähe der Absperrungen spielten. Damit hat Daniels, so sein Bonner Büro, ein „großes Medienspektakel“ ausgelöst. Daniels war Ende vergangener Woche in Brasilien eingetroffen. Er wollte in Brasilien eine Kampagne gegen die deutsch–brasilianische Atom– Kooperation führen und sich vor Ort über die Situation in Goiania informieren. Inzwischen hat auch die deutsche Botschaft in Brasilien zum Besuch des Bundestagsabgeordneten Stellung genommen und seine Äußerungen verurteilt. Daniels Sprecher Winfried Damm: „Die Botschaft hat erklärt, Daniels sei überhaupt kein Physiker und könne deshalb auch keine Messungen durchführen.“ Der Bundestagsabgeordnete wurde gestern abend zurückerwartet. -man–

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