Der V–Mann als Brandstifter

■ Informant des niedersächsischen Verfassungsschutzes an Brandanschlag gegen Ausländer beteiligt / Hätten seine Informationen einen Mord verhindern können, wenn sie genutzt worden wären?

Aus Hannover Jürgen Voges

Ein heute 19jähriger ehemaliger Neonazi hat im Jahre 1986 in der hannoverschen FAP und deren Abspaltung „Eisernes Kreuz“ (EK 1) für den niedersächsischen Verfassungsschutz Informationen gesammelt und sich während dieser Tätigkeit als V–Mann an einem Brandanschlag auf ein von Ausländern bewohntes Haus beteiligt. Gegenüber der taz sagte der 19jährige, er habe von Februar bis Oktober 1986 unter dem Decknamen „Guhr“ den Verfasungsschützern „Rentz“ und „Schmelzer“ gegen ein Entgelt von 300 DM monatlich jede Woche einen Bericht über Hannovers Neo–Nazi–Szene geliefert. Das Innenministerium in Hannover hat inzwischen bestätigt, daß mit Hilfe dieser drei Decknamen tatsächlich ein V–Mann in der hannoverschen FAP geführt wurde. Nach eigenen Angaben hat V– Mann Guhr bei dem letzten von fünf Brandanschlägen mitgewirkt, die Ende September 1986 von hannoverschen FAP–Mitgliedern verübt wurden. Er habe am 30. September letzten Jahres, so sagte der V–Mann im Gespräch mit der taz, den späteren „Kameradschaftsführer“ der Nazi– Gruppe „EK 1“ Bernd Futter und zwei weiter FAP–Miglieder mit seinem Auto zum Ort des Anschlages gefahren und während der Tat in dem Wagen auf einem Parkplatz gewartet. Bereits am nächsten Morgen habe er seine Führungsperson beim Verfassungsschutz über den Anschlag informiert. Der Verfassunsgsschutz hat diese Information aber offensichtlich nicht weitergegeben. Der vor kurzen zu einer Strafe von 10 Jahren verurteilte Bernd Futter wurde erst knapp drei Monate später wegen zahlreicher Eigentumsdelikte verhaftet. Dadurch, daß der Verfassungsschutz die Nazi–Gruppe um Futter nach den Brandanschlägen unbehelligt ließ, hat er sich möglicherweise am Tod des hannoverschen Skinheads Roger Bornemann mitschuldig gemacht. Wenige Tage nach einer Aussage bei der Polizei über die von Futter und anderen verübten Brandanschläge wurde Roger Bornemann Anfang Februar 1987 von vier Mitgliedern der Nazi–Gruppe „EK 1“ ermordet. Auch aus der Ende Oktober 1986 von Futter gegründeten „Sport– und Sicherheitskameradschaft EK 1“ hat V–Mann „Guhr“ noch einen Monat lang Informationen an den Verfassungsschutz geliefert. Er sei in der „EK 1“ der für Wehrsport zuständige Unterführer gewesen, sagte „Guhr“. In dieser Zeit habe er den Verfassungsschutz darüber informiert, daß Futter im Besitz einer großkalibrigen automatischen Schrotbüchse, einer sogenannten „Riot Gun“ sei, mit der der EK–1–Kameradschaftsführer „Türken jagen“ wolle. Drei Tage später habe die Polizei die „Riot Gun“ bei dem EK–1–Kameradschaftsführer beschlagnahmt. Aber auch die Beschlagnahme der Schrotbüchse führte noch nicht zu einer Verhaftung, sondern nur zu einer vorläufigen Festnahme des „Kameradschaftsführers“. Nach einem Tag wurde Futter gegen die Zusage, nun seinerseits die Politische Polizei zweimal wöchentlich mit Informationen zu versorgen, wieder auf freien Fuß gesetzt. Dies hat Futter selbst in seiner Zeugenaussage im Bornemann–Prozeß zugegeben. Der 19jährige V–Mann „Guhr“ ist nach eigenen Angaben bereit, im Prozeß um den Mord an Roger Bornemann als Zeuge auszusagen. Dort könnte er auch die Aussagen der Angeklagten und des Zeugen Futter über das „EK 1“ korrigieren, die die „Sicherheitskameradschaft“ im wesentlichen als unpolitisch dargestellt hatten. „Im EK 1 sahen sich alle als Nationalsozialisten.“ Ziel der EK–1– Gründung ist es für den V–Mann gewesen, „eine spezielle unformierte Einsatztruppe zu schaffen“. Diese Absicht habe vor allem der kriegsblinde Alnazi Reinhard Lotze verfolgt, der auch die Satzung der Gruppe entworfen hat, die Verschwiegenheit und strikte Disziplin verlangt. Der Kriegsblinde Altnazi, so sagte V– Mann Guhr, habe Waffen, Zelte und zwei Fahrzeuge besorgen wollen. Futter habe von ihm für die Ausrüstung der Truppe mehrere tausend Mark erhalten.