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Haushaltsberatungen: Die Tücke liegt meist im Detail

■ In der kommenden Woche jagt das Bundestagsplenum durch die drei Haushaltslesungen / Die Stunden der großen Verunklarer / Matador Stoltenberg lobt sich sicher

Von Hans Verheyen

Heute beginnt im Bundestag die Haushaltsdebatte. Finanzminister Stoltenberg, der Hauptmatador der Debatte, wird zwar erst morgen - stark angeschlagen - in den Ring steigen, aber schon heute gehts los mit der „Elefantenrunde“. Dies ist die Stunde der Generalisten. Die gesamte Regierungspolitik steht zur Debatte: Vermummung, Verdummung, Barschel, Raketenpoker zwischen Ronni und Gorbi und auch die Wirtschafts– und Haushaltspolitik. Kanzler Kohl wird wieder einmal tönen, nur die Enkel Adenauers verstünden etwas von Geld und Wachstum - und SPD–Chef Vogel wird dagegenhalten, das bißchen Wirtschaftswachstum mache den Kohl nicht fett. Die Haushaltsdebatten wiederholen leider oft nur die ewig alten Schlagworte - zum Ritual erstarrt. Dabei geht es eigentlich um viel, nicht nur um viel Geld. Das Recht, der Regierung bei jeder einzelnen Aufgabe auf die Finger zu gucken und ihr dafür Geld zu bewilligen oder aber abzulehnen, zählt zu den Urquellen der Demokratie. Es mußte unter großen Opfern gegen die absolutistischen Herrscher erstritten werden und lohnt auch heute noch den Einsatz; insbesondere die Haushaltsberatungen in den Ministerien und Ausschüssen bieten den Mitgliedern des Haushaltsausschusses einen informativen Einblick in das Innenleben der Ministerialbürokratie. Die Verpflichtung der Regierung zur Offenlegung aller geplanten Einnahmen und Ausgaben ist brisant, weshalb auch die Regierungen immer wieder versuchen, den Haushaltsplan als undurchsichtiges Gestrüpp zu gestalten, in dem sich bestimmte Machenschaften gut verstecken las sen. Die Opposition muß versuchen, Klarheit zu schaffen, und ist dabei nicht ohne Chance - daß Graf Lambsdorff und Co. von der Bundesregierung Hunderttausende von Mark zur Bezahlung von Staranwälten in ihren Prozessen wg. Flick erhielten, dieser Skandal wurde durch die Haushaltsberatungen aufgedeckt. Und ein aktuelles Beispiel: daß Norbert Blüm sich einen zweiten beamteten Staatssekretär (B 11) zu seiner Entlastung genehmigt, um mehr Zeit für den Landesvorsitz der CDU Nordrhein–Westfalen zu haben, diese „verfassungswidrige Zweckentfremdung“ von Steuergeldern prangern die Grünen Abgeordneten Bärbel Rust und Erika Trenz in einem Streichungsantrag an. Ob solche Aufklärungsarbeit der ParlamentarierInnen jedoch politische Wirksamkeit entfaltet, das wird entscheidend davon abhängen, ob die Medien sich für diesen Skandal interessieren, denn im Parlament funktioniert der Fraktionszwang in der Regel so perfekt, daß alle Koalitions– Parlamentarier nicht mehr das Volk, sondern die Regierung vertreten. Die VolksvertreterInnen des Bundestages degradieren sich dadurch selbst zu blinden Ja–Sagern. Wenn sie dann mal aufmucken, dann handelt es sich meist um drittrangige Themen, wie etwa bei dem Fall „Rebmann in Öl“. Rebmann wollte sich für 12.000 DM standesbewußt auf einem Ölgemälde verewigen lassen. Grüne Abgeordnete (Gerald Häfner und Christa Vennegerts) stellten einen witzig formulierten Streichungsantrag, und das Wunder geschah: Ihr Antrag fand eine Mehrheit im Haushaltsausschuß. In wichtigen Fragen läuft so etwas allerdings nicht. In diesem Jahr wurden Columbus, Ariane 5 und Hermes, die höchst umstrittenen Projekte der bemannten Raumfahrt, verhandelt, die den Bundeshaushalt bis weit in die neunziger Jahre mit wahrschein lich einer Milliarde DM pro Jahr belasten werden. Obwohl die Kritik bis hinein in führende Kreise der Industrie und des Forschungsministeriums reichte - ganz abgesehen von den großen Forschungsinstituten, die diese Projekte, wenn man ihre verklausulierte Sprache einmal in normales Deutsch übersetzt, als baren Unsinn darstellten -, gab es keinerlei Irritation bei den Regierungsparlamentariern. Sie überließen das Denken nach alter Sitte ihrer Regierung. Viele solcher Skandale wären es wert, in der Öffentlichkeit diskutiert zu werden; der Haushalt bietet reichlich Material, die Sonntagsreden der Regierung auf ihre sachliche Substanz zu unter suchen. 900 Millionen Mark sind übrig an Subventionen für den Airbus (im Aufsichtsrat F.J. Strauß), keine Mark für die Sprachförderung von Asylsuchenden, keine Mark für einen Notfonds für unverschuldet in Not geratene ausländische Studenten, häufig Opfer von Diktaturen in der Dritten Welt. Für den Schacht in Gorleben sind 2,5 Milliarden nicht zu viel, der Rentenzuschuß für alle Mütter der Jahrgänge vor 1921 in der gleichen Höhe ist „nicht finanzierbar“. Für die Atomenergie sind 1,2 Milliarden DM drin, für die Sonnenenergie nicht einmal 100 Millionen. Der Gesamtetat des Umweltministeriums umfaßt die stolze Summe von 480 Millionen. Stoltenberg muß eben sparen! Er spart und spart und spart - fast immer an der falschen Stelle; da er aber andererseits ein Herz für die Bundeswehr, für die Steuerentlastung von Gutverdienenden und Reichen, für Agrarindustrie und Großbauern, für Siemens, MBB, Dornier und wie sie alle heißen, hat, wachsen dennoch seine Schulden. 1987 stiegen sie von geplanten 22 auf mindenstens 29 Milliarden DM, 1988 von geplanten 30 auf wahrscheinlich mindestens 35. Und böse Zungen fangen jetzt schon an, an seinem Namen herumzumanipulieren: In Bonn heißt er immer häufiger Dr. Schuldenberg. In der Tat sind die Bundesschulden unter Stoltenberg kräftig gestiegen, nämlich von 309 Milliarden 1982 auf mindestens 443 Milliarden Ende 1987. Nach der mittelfristigen Finanzplanung wird Stoltenberg 1990 die 500–Milliardengrenze überschritten haben. Staatsverschuldung, wachsende Arbeitslosigkeit und Steuerreform werden auch wohl die weitere Haushaltsdebatte in dieser Woche prägen. Der durch die Barschel–Affäre stark angeschlagene Finanzminister wird versichern wollen, daß er alles im Griff hat. Wer glaubt das noch? Die schon vor dem Börsenkrach prognostizierten Wachstumsraten beweisen, daß die Arbeitslosigkeit deutlich ansteigen wird. Durch die neuere Entwicklung könnte es sogar zu einem dramatischen Einbruch kommen. Dennoch bleibt die Regierung bei ihrem alten Kurs. Sie wendet sich weiterhin gegen Arbeitszeitverkürzung, gegen eine klare gesetzliche Regelung zur Einschränkung der Überstunden und gegen Gesetze, die die Unternehmen zu einer Reihe von ökologischen Investitionen zwingen würden. Andererseits trocknet sie durch ihre sogenannte Steuerreform die Finanzen von Ländern und Kommunen so stark aus, daß auch dort kaum noch ökologische Investitionen möglich sein werden. Alles das beweist: Die Wachstumstheoretiker sind mit ihrem Latein am Ende. Umso wichtiger wird für sie die Irreführung der Öffentlichkeit sein. Wenn wir nicht aufpassen, wird Stoltenberg auch künftig eine erfolglose Politik als Erfolg verkaufen können. Hans Verheyen ist Mitarbeiter der Fraktion der Grünen im Bundestag

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