piwik no script img

DDR–Autoren fordern mehr Offenheit

■ Zehnter Schriftstellerkongreß der DDR / DDR tut sich mit Liberalisierung schwer / Zensur im Vorfeld des Kongresses / Diskussion um in den Westen ausgereiste Autoren soll vermieden werden

Ost–Berlin (ap) - Der Wunsch nach mehr Offenheit in der politischen Auseinandersetzung und die Frage der staatlichen Zensur dürften im Mittelpunkt des dreitägigen 10. Schriftstellerkongresses der DDR stehen, der heute in Ost–Berlin beginnt. Einen Tag vor der Autorenversammlung wurde am Montag aus Kulturkreisen in Ost–Berlin bekannt, ein neuer Gedichtband des DDR–Lyrikers Lutz Rathenow dürfe nicht erscheinen. Auch die seit Monaten angekündigten Druckgenehmigungen für die bislang nur im Westen publizierenden Autoren Monika Maron und Gert Neumann verzögerten sich Woche um Woche, hieß es. Für viele Kulturschaffende sei dies ein Beleg, daß sich die DDR „mit konkreten Schritten in Richtung mehr Offenheit für bisher verfemte Autoren schwertut“. Das Berufsverbot für den Liedermacher Stephan Krawczyk gilt als genauso „schlechtes Zeichen“ für eine Liberalisierung wie die Weigerung der DDR, den ehemaligen DDR–Autor Erich Loest als Delegierten des bundesdeutschen Schriftsteller–Verbandes am Kongreß teilnehmen zu lassen. Nach Ansicht politischer Beobachter in Ost–Berlin soll damit eine „Diskussion um in den Westen ausgereiste Autoren eingedämmt werden“. In der literarisch interessierten Öffentlichkeit in der DDR setze sich immer mehr die fatale Meinung durch, daß der „wesentlichere Teil der DDR–Literatur außerhalb der DDR geschrieben“ werde. Die Dichterin Gabriele Eckart, die auf der Frankfurter Buchmesse erklärt hatte, zur Zeit nicht in die DDR zurückkehren zu wollen, ist nach eigenen Worten von ihrem DDR–Verlag zur Rückkehr aufgefordert worden, um über neue Editionen zu verhandeln. Seit dem letzten Kongreß im Jahr 1982 haben unter anderem Autoren wie Bernd Wagner, Sascha Anderson, Wolfgang Hegewald, Jürgen Hultenreich, Christa Moog, Katja Lange und Rüdiger Rosenthal ihrer Heimat den Rücken gekehrt. Vor dem Schriftstellertreffen soll mehreren Mitgliedern vor allem der „mittleren Generation“ nahegelegt worden sein, „sich provokanter Äußerungen auf dem Kongreß zu enthalten“. So soll der Lyriker Stephan Mensching eine Warnung erhalten haben, die ihn davon abhalten soll, eine Resolution einzubringen, in der er eine verstärkte Beschäftigung mit der Glasnost–Politik in der UdSSR fordert. Im Leipziger Börsenblatt hatte sich Mensching für eine offenere „politische Auseinandersetzung in der DDR“ eingesetzt. Zur Sprache kommen soll in Ost–Berlin auch das Projekt eines selbstverwalteten Autoren–Verlages und -Theaters. Zu dem Autorentheater hatte es von acht jungen Dramatikern eine monatelange Initiative gegeben. Sie verbreiteten eine Liste mit 30 in der DDR bisher ungespielten Stücken. Viele sozialkritisch eingestellte Verbandsmitglieder aus Ost–Berlin, Halle, Leipzig und Dresden fühlen sich bei dem Kongreß unterrepräsentiert. Die OstBerliner Kulturzeitung Sonntag veröffentlichte kürzlich eine Äußerung des Schriftstellers Jürgen Höpfner bei einem Treffen von Autoren aus Ost–Berlin. „Die Autoren kämpfen um ihre Manuskripte“, hatte Höpfner kritisiert, „die Verleger um ihre Posten“.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen