Zehn Jahre im Skin–Prozeß gefordert

■ Plädoyers der Anklage im Skinhead–Mordprozeß / Staatsanwaltschaft und Nebenklage sehen keine Beweise für „Fememord“ / Gerhard Schröder fordert als Nebenklage–Vertreter Verbot der FAP

Aus Hannover Jürgen Voges

Die Höchststrafe von zehn Jahren für alle vier Angeklagten hat gestern die Staatsanwaltschaft im Prozeß um den Mord an dem Skinhead Roger Bornemann gefordert. In seinem Plädoyer vor der Jugendkammer des Landgerichts Hannover sprach Staatsanwalt Eckard Glufke von einer an „Grausamkeit und Schrecklichkeit“ kaum zu überbietenden Tat, einer „Tötung auf Raten“, die der 17jährige Skinhead habe erleiden müssen. An dem Mordgeschehen hätten sich alle vier Angeklagten, die zur Zeit der Tat 17 bzw. 18 Jahre alt waren, aktiv beteiligt. Der Angeklagte Tom K. habe frühzeitig gezielt auf den Tod des Opfers hingearbeitet. „Das Lebensgefühl der Skinheads“, deren „große Gewaltbereitschaft“ und die Verbindung der Angeklagten „zu Rechtsradikalen“ bildeten nach Ansicht des Staatsanwalts lediglich den Hintergrund des Mordes. Am Anfang, so Glufke, habe auch er politische Motive hinter der Tat vermutet. Durch die Beweißaufnahme ließen sich diese Motive allerdings nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit begründen. Der SPD–Politiker Gerhard Schröder, der in diesem Verfahren die Schwester des Ermordeten vertritt, sprach in seinem Plädoyer von einem „Aufklärungsdefizit“ in den vorrausgegangenen Ermittlungen. Auch das Gericht, so der Nebenklage–Vertreter, habe in diesem Verfahren die politischen Aspekte als Fremdkörper betrachtet. Dennoch ist für den SPD–Politiker „die Tat ohne das neonazistische Umfeld undenkbar“. Alle vier Angeklagten hätten klassische Biografien von Außenseitern, ohne Chancen zur Integration in die Gesellschaft hinter sich. Auf diese Situation hätten sie jedoch nicht wie andere Jugendliche mit Auflehnung, sondern mit Anpassung reagiert und sich einer neonazistischen Gruppe angeschlossen, in der sie Selbstbestätigung durch Ausgrenzung von gesellschaftlich niedriger Stehenden zu finden glaubten. In dieser Gruppe, der FAP–Abspaltung „EK 1“, sei Gewaltbereitschaft gegen Ausländer vorhanden gewesen. Für den Mord hat nach Ansicht von Rechtsanwalt Schröder der Verratsgedanke dann eine wesentliche Rolle gespielt. Die Gewaltbereitschaft der Gruppe sei in dem Moment nach innen umgeschlagen, als diese durch einen vermeintlichen Verräter, der bei der Polizei ausgesagt hatte, gefährdet schien, beschrieb Schröder seine Sicht des Motivs. Er forderte ein „Verbot“ und eine „intensive Verfolgung“ der FAP und anderer neonazistischer Gruppen. Eine intensive Beobachtung durch den Verfassungsschutz reiche nicht aus. Die Vetreterin des Vaters von Roger Bornemann, Rechtsanwältin Hela Rischmüller–Pörtner, sagte, daß die Tat nicht geschehen wäre, wenn der Staat rechtzeitig gegen die Gefahr des Neonazismus vorgegangen wäre. Sowohl der Staatsanwalt als auch die Nebenklage sprachen allen Angeklagten verminderte Schuldfähigkeit durch einen übermächtigen Gruppendruck bei der Tat ab.