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Raketenbeschluß zeitigt Nachbeben

■ Mehrheit für Raketenverschrottung im amerikanischen Senat noch nicht gesichert / UdSSR übt Kritik an Haltung Frankreichs / Die Technik der Raketenvernichtung bereitet Probleme: Gefahren für die Umwelt

Washington/Moskau (afp) - Insgesamt 364 in Europa stationierte Mittelstreckenraketen zuzüglich der in den USA in Depots lagernden Exemplare müssen die USA nach dem INF–Abkommen zerstören, das von US–Präsident Reagan und dem sowjetischen Parteichef Gorbatschow bei ihrem Gipfeltreffen vom 8. bis 10. Dezember in Washington unterzeichnet werden soll. Da bei einer Verbrennung von täglich 15 Raketen etwa 15.000 Tonnen mehr oder weniger giftiger Stoffe (unter anderem Asbest, Chlorwasserstoffsäure, Titandioxid, Aluminiumoxid) in die Atmosphäre geblasen würden, haben Umweltschutzorganisationen bereits heftigen Protest angemeldet. Da die meisten in Europa stationierten Mittelstreckenraketen abschußbereit sind, habe man in Erwägung gezogen, sie ohne ihre Nuklearsprengköpfe in den Atlan tik abzuschießen. Dabei müßten die 108 in der BRD stationierten Pershing–II im Anflug auf ihr „Ziel“ im Atlantik allesamt französisches Territorium überfliegen. Vor dem Hintergrund anhaltender Spekulationen, der amerikanische Senat könne sich weigern, das zwischen den Supermächten vereinbarte INF–Abkommen zu ratifizieren, verstärkte sich in Washington am Mittwoch die Unruhe. Selbst Reagans treueste Republikaner sahen heftige Redeschlachten voraus. Der Präsident muß etwa 27 noch unentschlossene Senatoren auf seine Seite ziehen, um im Senat die erforderliche Zweidrittelmehrheit zu erlangen. Die Tageszeitung Sowjetskaja Rossia berichtete in ihrer Donnerstagsausgabe über die „Verblüffung“ der sowjetischen Bevölkerung angesichts der „von der amerikanischen Rechten und den Medien geführten anti–sowjetischen Kampagne am Vorabend des Besuchs“ von Parteichef Gorbatschow in den USA. Heftige Kritik an Frankreich wurde in einem Kommentar der amtlichen sowjetischen Nachrichtenagentur TASS laut. In einem Land, das „in der Vergangenheit so viel für die Abrüstung getan“ habe, machten sich Elemente breit, die die am Dienstag in Genf erzielte Einigung ablehnten. Paris habe offenbar vor, seine Militärausgaben „substantiell“ zu erhöhen und wolle nichts über Abrüstungsgespräche hören.

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