: Richter für Familiennachzug
■ Verfassungsgericht entscheidet gegen Bestimmungen Bayerns und Baden–Württembergs
Aus Karlsruhe Felix Kurz
Das Erfordernis einer dreijährigen Ehebestandszeit als Nachzugsvoraussetzung für ausländische EhepartnerInnen ist verfassungswidrig. In einem Beschluß des 2.Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) heißt es, daß durch die Dreijahresfrist „auch im Hinblick auf entgegenstehende öffentliche Interessen“ die Belange von Ehe und Familie der AusländerInnen über das „hinzunehmende Maß beeinträchtigt“ würden. Mit dieser Entscheidung ist die bislang in Baden–Württemberg und Bayern geübte Praxis, verheirateten AusländerInnen nur dann den Zuzug in die BRD zu erlauben, wenn sie mindestens drei Jahre lang verheiratet waren, vom Tisch. Fortsetzung auf Seite 2 Allerdings billigten die Karlsruher Richter die ebenfalls an einen Familiennachzug geknüpfte Forderung nach einer Aufenthaltsdauer von acht Jahren. Das „Achtjahresaufenthaltserfordernis“ (welch ein Wort, d.R.) sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es solle nämlich nur sicherstellen, daß die „eheliche und familiäre Gemeinschaft im Bundesgebiet erst dann begründet werde, wenn der Ehegatte, zu dem der Nachzug angestrebt werde, weitgehend in die hiesigen Lebensverhältnisse eingegliedert sei“, heißt es wörtlich in dem Beschluß. So verpflichte das Grundgesetz die Behörden nicht etwa dazu, die „Gestattung eines Nachzugs von einem geringeren Maß an Eingliederung abhängig zu machen als innerhalb eines Zeitraums von acht Jahren typischerweise erreicht werden könne“. Betroffen von der verschärften Nachzugsregelung der beiden Südstaaten Bayern und Baden– Württemberg waren vor allem Ausländer der zweiten Generation. 1981 hatte die Bundesregierung den Ländern empfohlen, nur noch die Ehegatten von Ausländern einreisen zu lassen, wenn deren Partner in der BRD sich dort mindestens acht Jahre ununterbrochen aufgehalten habe und deren Ehe mindestens ein Jahr bestehe. An dieser „Empfehlung“ orientierten sich die Bundesländer nur zum Teil. Hessen hielt statt der acht Jahre lediglich fünf für notwendig und eine Ehebestandsfrist für überflüssig. Andere übernahmen die Bonner Vorgaben kommentarlos. Die südlichen Scharfmacher (darunter auch der aktuelle Präsident des BVerfG, Roman Herzog) dehnten von sich aus die Frist der Ehebestandszeit auf drei Jahre aus und erhielten vom Bundesverfassungsgericht jetzt die Quittung. Zu der von der Bundesregierung vorgeschlagenen einjährigen Ehebestandszeit äußerte sich das Gericht nicht. Allerdings dürften die Vorbehalte gegen die Drei–Jahres–Regelung auch für eine einjährige Wartezeit zutreffen. In der mit 7:1 ergangenen Entscheidung spricht der Senat den gesetzgeberischen und vollziehenden Gewalten allerdings „erhebliche“ Gestaltungsspielräume zu. Diese seien notwendig, weil die „Zulassung von Ausländern - gleichgültig zu welchem Zweck - in vielfältiger Weise“ und in „häufig schwer vorherzusehender Art und Tragweite“ das Wirtschafts– und Sozialgefüge der BRD beeinflusse. „Zudem erfordern teilweise unabwendbare Veränderungen der wirtschaftlichen und außenpolitischen Lage oder notwendige Wandlungen von Zielen und Formen der Außenpolitik ein rasches und flexibles ausländerbehördliches Handeln“, heißt es wörtlich.
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