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Gegen Arbeitslosigkeit: kleckern, nicht klotzen

■ Gewerkschaftsexperimente gegen Einflußschwund / Technologie–Beratungsstellen des DGB bieten Arbeitnehmerberatung in Rationalisierungs– und Weiterbildungsfragen

Von Corinna Kawaters

Das Ruhrgebiet ist immer noch eine Vorzeigeregion, heute allerdingsvor allem als Problemzone. Wo Kohle und Stahl für das Florieren der alten Schornsteinindustrien sorgten, ist die Situation heute von Arbeitslosigkeit und industriellen Altlasten geprägt. Aber noch hat der Klüngel von Betriebs– und Stadträten, die sich der alten Arbeiterbewegung zurechnen, in den Revierstädten was zu sagen. Und an manchen Orten wird das genutzt, um sich mit neuen Methoden ins Feld von Technologie– und Strukturwandel einzumischen. Was macht der wackere Betriebsrat, wenn plötzlich im Konstruktionsbüro seines Betriebes ein Computer steht? Den hat die Geschäftsleitung „leihweise und zur Probe installieren lassen“. (So geschehen in Lüdenscheid). In den allermeisten Fällen stehen die Interessenvertreter der Belegschaft dumm da, denn kaum einer kennt sich mit „High–Tech“ aus. Die Geschäftsleitung kauft sich das Fachwissen, stellt Berater ein oder wird von der Verkäuferfirma geschult. Wenn sich dann noch herausstellt, daß der Computer die im Konstruktionsbüro geleistete Zeichenarbeit um 56 Prozent ersetzen kann, dann fangen für die Arbeitnehmer schlechte Zeiten an. Doch wenn der Betriebsrat einig ist und sein Betriebsverfassungsgesetz kennt, kann den Leuten geholfen werden. Zumindest in Nordrhein–Westfalen. Seit Anfang des Jahres gibt es in Oberhausen die Technologieberatungsstelle des Deutschen Gewerkschafts–Bundes. Finanziert vom Arbeits– und Sozial–Minister Hermann Heinemann konnten die Oberhausener Technologieexperten im Juli eine Filiale aufma chen. Eine weitere in Bielefeld. Von EDV–Problemen überraschten Arbeitnehmervertretern kann bei Rationalisierungsvorhaben beratend unter die Arme gegriffen werden. So konnte der Betriebsrat in Lüdenscheid mit Hilfe der Technologieberatungsstelle seine Interessen gegenüber der Geschäftsleitung vertreten und erreichen, daß eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen wurde. Die legt außer einer Begrenzung der Arbeitszeit mit dem computergesteuerten Konstruktionssystem (CAD - Computer Aided Design), dem Verbot der Mitarbeiter–Kontrollen durch den „Großen Bruder“, der Teamarbeit auch weitere Nutzungsmöglichkeiten der Neuanschaffung fest. „Negative personelle Maßnahmen, wie Entlassungen oder Abgruppierungen aufgrund der Nutzung des CAD– Systems, werden einvernehmlich ausgeschlossen“, heißt es im Tätigkeitsbericht der Beratungsstelle zum Fall der Lüdenscheider. Das geballte Fachwissen der Technologie–Experten greift jedoch nicht nur bei Rationalisierungen und als Weiterbildungsangebot, sondern auch auf dem Gebiet der Technikbewertung und Technikgestaltung. Bislang nimmt dieser Bereich 5 Prozent der Beratungsfälle der Oberhausener und Hagener Stellen ein. Zur Bewertung der „Zukunftstechnologien“ hat der DGB ein Kriterienraster entwickeln lassen, das den gesellschaftlichen Nutzen, die ökonomischen Chancen, die strukturpolitische Einbindung und die Gestaltungsmöglichkeiten für die Arbeitswelt der verschiedenen Technologiebereiche bewerten soll. Auf Einzelgebie ten, wie beispielsweise der Konzeption der „Wirbelschichtbefeuerung“, hat sich der Katalog des DGB bewährt. Diese umweltfreundliche Rauchgasverbrennung ist im Sondermüll–belasteten NRW eine begrüßenswerte Innovationsidee. Bei all ihren Vorschlägen geht es den gewerkschaftlichen Technologieberatern um zwei für die Arbeitnehmer perspektivisch richtige Zielsetzungen: sich Kompetenz bei der Technikgestaltung im Betrieb anzueignen und darum, neue Arbeitsplätze in Bereichen zu schaffen, die die Aufgabe Umweltverbesserung angehen. Überhaupt Arbeitslosigkeit: Dieses Gespenst geht um im Ruhrgebiet und Weihwasser und silberne Kugeln reichen nicht aus, es zu bannen. Im Kampf dagegen scheint derzeit so ziemlich jedes Mittel recht. Doch Herr Gerhard Schult, der für die Stadt Hagen die Geister austreiben soll, ist nicht abergläubisch. Herr Schult ist Leiter des Amts für Wirtschaftsförderung in Hagen und in dieser Funktion auch Geschäftsführer eines Technologie–Gründer–Zentrums. Und das hat einiges mit der obenerwähnten Gespensterbeschwörung zu tun. In den 70er Jahren gingen in Hagen 12.000–13.000 Arbeitsplätze verloren, so erzählt Herr Schult, und der Stadtrat sagte sich:“ Moderne Techniken, neue Produktionsverfahren sind für die Modernisierung der Betriebe, für eine Auflockerung und Anpassung der Wirtschaftsstruktur entscheidend.“ Daraufhin beschloß er am 5. September 85 einstimmig - auch mit dem Votum der Grünen - ein Technologie–Gründer–Zentrum aufzubauen. Innovationsfreudige Unternehmer sollen hier zur Existenzgründung angeregt werden. Häufig, so hat man in Hagen festgestellt, fehlen den hervorragenden Technikern die kaufmännisch–wirtschaftlichen Kenntnisse, was sie dann von der Unternehmensgründung abhält. Nix wie hin zum TGZ - denn dort werden nicht nur Kredite vermittelt, sondern auch Kontakte mit der Fern–Uni und der Fachhochschule. Nicht nur ideell, auch materiell greift die Stadt ihren Hoffnungsträgern unter die Arme. Büro– und Produktionsräume, Kopiergeräte und ein Sekretariats– Service für eine geringe Miete stehen im TGZ zur Verfügung. Im Träger–Beirat sitzen die Stadt Hagen, die Industrie– und Handelskammer, die Sparkasse und die Volksbank und entscheiden, wer in das bahnhofsnahe Gebäude einziehen darf. Bastlern und Tüftlern mit Tendenz zur Professionalisierung kann hier weitergeholfen werden, vermittelt diese Adresse doch auch ein gewisses „Gütesiegel“, wie Herr Schult stolz sagt. Im Augenblick nutzen sechs Firmen das Gebäude und das Etikett. Womit sie sich nun genau beschäftigen, ist für Laien fast undurchschaubar, besonders, wenn wie bei dem Ingenieurbüro vhp von „computerunterstützten Simulationsprogrammen“ die Rede ist. Einem sehr speziellen computergesteuerten Simulationsprogramm ist kürzlich erst das Wirtschaftsförderungsamt der Stadt Bochum auf den Leim gegangen: Zu einer vierjährigen Bewährungsstrafe und harter Geldbuße wurde hier ein innovativer Schwindler verurteilt. Er wollte 100 neue Arbeitsplätze in der Elektronic–Branche schaffen und „eine echte Weltneuheit“, das optische Qualitätssicherungssystem OEBSIS sowie neue computergesteuerte Automaten zur Herstellung von Platinen fabrizieren. Weil niemand da so genau durchblickte, fielen alle darauf rein. Nicht nur das Bochumer Amt, auch das Forschungsministerium des Bundes und des Landes. Binnen kürzester Zeit hatte der Unternehmer Subventionen in Millionenhöhe erschwindelt. Da ist das Projekt der Firma LES (Licht und Elektronic Systeme) im Hagener TGZ schon transparenter und vertrauenerweckender. Hier werden von drei Angestellten Lampenfassungen für Energiesparbirnen zusammengeschraubt. Und LES ist auch die einzige Firma, die mehrere Beschäftigte hat. Ob die Rechnung bezüglich der Arbeitsplätze also aufgehen wird, steht für die Hagener noch sehr in den Sternen, und damit sind wir wieder bei der Magie und den Gespenstern.

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