: Regierungsstelle: Prima Spitzelsitz
■ Pfeiffer setzte Detektiv in die Kieler Regierungspressestelle / Von dort aus sollte er Engholm bespitzeln Kieler CDU–Graf Kerssenbrock will Entschuldigung seiner Partei / FDP strebt nach Höherem
Kiel (dpa/ap) - Der auf den Kieler Oppositionsführer Björn Engholm (SPD) angesetzte Detektiv Hermann Dierken hat nach eigenen Angaben in einem Büro der schleswig–holsteinischen Regierungspressestelle arbeiten können. Vor dem Untersuchungsausschuß in Kiel sagte Dierken gestern, im Auftrag des damaligen Medienreferenten Pfeiffer habe er Engholms Schreibtisch ausforschen und herausfinden sollen, ob der Oppositionsführer homosexuelle Beziehungen zu einem Fraktionsmitarbeiter unterhalte. „Ich sollte ihn überwachen, wo er sich hinbewegt“, sagte Dierken. Die Ermittlungen hätten jedoch nichts ergeben. Pfeiffer habe ihn gefragt, ob er nicht in Engholms Dienstzimmer einbrechen und dort eine „Wanze“ unterbringen könne, „so daß wir die Gespräche mithören können“. Als er dieses Ansinnen ablehnte, habe der Medienreferent den Vorschlag gemacht, Dierken solle sich „abends mit irgendeinem Kittel der Putzkolonne anschließen“ und so in Engholms Räume vordringen. Schwarzkopf–Manager Ballhaus konnte sich bei seiner Vernehmung nicht an Einzelheiten über zahlreiche Telefonkontakte mit dem ehemaligen stellvertretenden Regierungssprecher Ahrendsen Anfang September erinnern. „Die Woche war für mich turbulent.“ Er wurde anschließend in einer nicht–öffentlichen Sitzung dem Privatdetektiv Harry Piel, der Engholm im Auftrag Pfeiffers durch seine Detektive beobachten ließ, gegenübergestelt. Dabei erfuhr der Ausschuß nach Angaben seines Vorsitzenden Klingner (SPD), daß ein Unbekannter der Firma Schwarzkopf telefonisch „ein Angebot der Firma Piel über eine Sicherheitsanalyse“ gemacht habe. Mit Hinweis auf die offenkundigen Schwierigkeiten der schleswig–holsteinischen CDU, einen geeigneten Ministerpräsidentenkandidaten als Nachfolger Barschels zu finden, hat die Kieler FDP unterdessen die Möglichkeit eines Regierungschefs aus den eigenen Reihen angedeutet. Der dem FDP–Landesvorstand angehörende Bundestagsabgeordnete Werner Zywietz schlug seinen Fraktionskollegen Uwe Ronneburger als Anwärter dafür vor. Zuvor hatte der CDU–Bundestagsabgeordnete Wolfgang Börnsen Unmut über die FDP geäußert und dafür plädiert, die Kieler CDU solle lieber in die Opposition gehen, als den Forderungen der Freien Demokraten nachzugeben. Der schleswig–holsteinische CDU–Politiker Trutz Graf Kerssenbrock hat seine Parteifreunde derweil aufgefordert, sich wegen der Vorgänge während des Landtagswahlkampfs in Schleswig– Holstein beim politischen Gegner zu entschuldigen. Zudem forderte er, daß die Kompetenzen in der Partei auf mehrere Schultern verteilt werden.
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