Anti–Pornographie–Gesetz: Emma korrigiert

■ Berliner Juristinnen legen einen weiteren Entwurf für ein Anti–Pornographie–Gesetz vor / Die neue Vorlage ist in mehreren Punkten weitaus präziser als die Emma–Redaktion und beinhaltet eine klare Abgrenzung zum Strafrecht / Staatlicher Zensur soll vorgebeugt werden

Von Helga Lukoschat

Kurz nachden Emma mit ihrem Entwurf eines Anti–Pornographie–Gesetzes für Wirbel sorgte, gibt es bereits eine Alternative. Die Berliner Juristinnen Susanne Baer und Vera Slupik legen diese Woche den Bonner PolitikerInnen einen ausgefeilten Gesetzestext vor, der zwar strukturelle Ähnlichkeit mit dem Emma–Entwurf aufweist, ihn jedoch in entscheidenden Punkten ergänzt und präzisiert. Vor allem enthält er eine klare Abgrenzung gegenüber dem Strafrecht - ein Punkt, der beim Emma–Entwurf Verwirrung und Kritik auslöste. Daß so schnell eine „Nummer Zwei“ aus der Schublade gezogen wird, hat selbstredend eine Vorgeschichte. Susanne Baer hatte sich in den USA von den Diskussionen um eine Anti–Porno–Gesetzgebung zu einer eigenständigen Übertragung auf bundesdeutsche Verhältnisse inspirieren lassen. Zusammen mit Vera Slupik - langjährige, Emma–Mitarbeiterin und bis vor kurzen noch deren juristische Beraterin - hatte sie Emma zu Beginn ihrer Kampagne ihre Arbeit vorgelegt. Wie der Emma–Entwurf sieht er die zivirechtliche Klagemöglichkeit auf Schadenersatz und Unterlassung vor. Aufgrund „inhaltlicher Differenzen“, so Susanne Baer zur taz, hatten die beiden ihren Entwurf schließlich zurückgezogen. Zu dem Schritt in die Öffentlichkeit entschlossen sie sich jetzt, weil sie ihren Entwurf für „radikaler“ und „genauer“ halten als den „Emma“–Entwurf und davon überzeugt sind, daß ein Mißbrauch durch reaktionäre Saubermänner und Frauen ausgeschlossen ist. Die größte Gemeinsamkeit haben Anti–Porno–Eins und Zwei in der Definition von Pornographie, die sich radikal von derjenigen des Strafrechts unterscheidet: während der Gesetzgeber im Paragraph 184 Pornographie als eine Frage des sexuellen „Anstands“ und des Jugendschutzes behandelt, definieren beide Entwürfe Pornographie als „deutlich sexuell erniedrigende Darstellung von Frauen in Bildern oder Worten“. Im Emma–Entwurf folgen auf diese Definition zwei umstrittene Sätze: dort wird die Verbreitung, Veröffentlichung und Sammlung nur dann für „zulässig“ gehalten, wenn sie gesellschaftskritischen oder wissenschaftlichen Zwecken dient. Die Herstellung von Pornographie wird selbst dann für „unzulässig“ erklärt. In dem Entwurf der Berliner Juristinnen wird dagegen schlicht festgehalten, daß wer Pornographie im Sinne ihrer Definition herstellt oder verbreitet, zivilrechtlich verklagt werden kann. Ausgenommen sind Bibliotheken und Sammlungen, die Pornographie der wissenschaftlichen Forschung zur Verfügung stellen. Damit ist für die Autorinnen ausgeschlossen, daß mit dem Entwuf staatliche Verbots– und Zensurge lüste geweckt werden. Noch in zwei weiteren Punkten gibt es bei den Entwürfen entscheidende Unterschiede: so ist bei Baer/Slupik vorgesehen, daß pornographisches Material, das vor Inkrafttre ten des Gesetzes hergestellt wurde, davon nicht betroffen ist. Eine erhebliche Ergänzung, die zumindest formaljuristisch die Diskussion um de Sade und Miller vom Tisch bringt. Schließlich sind im Alternativ–Entwurf auch Klagemöglichkeiten für Männer und Transsexuelle vorgesehen, wenn sie durch Pornographie in gleicher Weise benutzt und diskriminiert werden.