Vier Skins wegen Mordes verurteilt

■ Jugendstrafen zwischen achteinhalb und zehn Jahren / Mord nach Ansicht des Gerichts „nicht politisch motiviert“ / Verteidiger rügen mangelnde Motivforschung und gehen in Revision

Aus Hannover Jürgen Voges

Zu Jugendstrafen zwischen achteinhalb und zehn Jahren wegen Mordes hat gestern die Jugendkammer des Landgerichts Hannover die vier hannoverschen Skinheads verurteilt, die im Februar dieses Jahres ihren Kameraden Roger Bornemann zu Tode getreten hatten. Der Kammervorsitzende Gerhard Kausch sah in der Urteilsbegründung bei allen vier zur Tatzeit 17 bzw. 18 Jahre alten Angeklagten den Tatbestand des Mordes als erfüllt an, da sie aus dem niedrigen Beweggrund der „Lust an körperlicher Mißhandlung“ getötet hätten. Es habe sich, so sagte Richter Kausch weiter, allerdings in der Verhandlung kein Hinweis dafür ergeben, „daß die Straftat politisch motiviert gewesen ist“. Auch das Aussageverhalten des Opfers, das noch kurz vor seinem Tode andere Neonazis bei der Polizei schwer belastet hatte, sei nicht ursächlich für den Mord gewesen. Von einem Fememord könne man nicht sprechen, da ein Tribunal und eine Verurteilung des Opfers fehle. Alle vier Angeklagten waren nach Ansicht der Kammer „den Skinheads lose verbunden“. Drei von ihnen seien Sympathisanten der FAP und später Mitglieder des „ek1“, „einer Sicherheitsgemeinschaft“, wie es Richter Kausch ausdrückte, bei der der Wehrsport im Vordergrund gestanden habe. Die Zugehörigkeit der Angeklagten zu den Skinheads habe bei der Tat nur insoweit eine Rolle gespielt, als sie „die latente Brutalität der Angeklagten“ gefördert habe. In der Urteilsbegründung schilderte der Richter noch einmal ausführlich den Ablauf der stundenlangen Mißhandlungen, die zu Roger Bornemanns Tod führten. Dennoch sah die Kammer das Mordmerkmal der Grausamkeit nicht als gegeben an. Es lasse sich nicht mehr feststellen, ob die tödlichen Verletzungen dem Opfer nicht schon zu Beginn der eigentlichen Mordtat zugefügt worden seien, begründete dies Richter Kausch. Zwei der Verteidiger haben Revision angekündigt, die beiden anderen wollen sich dem anschließen. Rechtsanwalt Börner erklärte, die Kammer sei nicht auf den Ursprung der Gewaltbereitschaft der Angeklagten eingegangen. Die „Lust an der Mißhandlung“, die jetzt den Angeklagten als Beweggrund unterstellt werde, sei im ganzen Verfahren nicht zur Sprache gekommen. Kein Wort habe die Kammer über den Lebenslauf verloren und praktisch nichts über das politische und soziale Umfeld ausgeführt. Das Schlußwort der Angeklagten, in dem sie sich vom Rechtsradikalismus distanziert hatten, sei aufschlußreicher gewesen. Der Vater des Opfers, Gerd Bornemann, sagte, der Prozeß und das Urteil hätten nicht die Aufklärung über die Umstände des Todes seines Sohnes erbracht. Als Nebenkläger habe man allerdings keinen Ermittlungsapparat. Diejenigen, die über einen solchen Ermittlungsapparat verfügten, hätten ihn nicht genutzt.