piwik no script img

Wald schadlos

■ BGH: Die Bundesregierung muß nicht für das Waldsterben aufkommen

Karlsruhe (taz) - Der Waldbauer Bernd Killgus und die Stadt Augsburg sind mit ihren Schadensersatz– und Entschädigungsforderungen für Waldschäden gegen das Land Baden–Württemberg und die Bundesrepublik Deutschland auch vor dem Bundesgerichtshof (BGH) abgeblitzt. Der dritte Senat des BGH sah sich nach den Worten seines Vorsitzenden Günter Krohn „außerstande, nach dem geltenden Recht eine Anspruchsgrundlage für derartige Schäden zu finden“. Der Land– und Forstwirt Killgus aus dem mittleren Schwarzwald und die Stadt Augsburg hatten wegen der Folgen des in ihren Wäldern auftretenen Baumsterbens den Bund und Baden–Württemberg auf Schadensersatz bzw. Entschädigungen verklagt. Sie hatten dazu vorgetragen, weil der Staat den das Waldsterben verursachenden Ausstoß von Schadstoffen durch industrielle und gewerbliche Anlagen, private Feuerungsanlagen und Autos hoheitlich genehmigt oder ermöglicht habe, müsse er nun auch für die Schäden des Waldsterbens haften. Dem BGH sei es nicht darum gegangen, wer Verursacher des Waldsterbens sei. Fortsetzung auf Seite 2 Das machte der Vorsitzende Günter Krohn in einer Vorbemerkung deutlich. Da die Untergerichte unterstellt hatten, „Kraftwerksbetreiber, die wir namentlich nicht kennen“ seien die Verursacher, sei auch der BGH an diese Feststellung gebunden. Im bürgerlichen Recht existieren allerdings nur „kleinnachbarliche Regelungen“, so das Gericht, die nicht auf die Fälle der Kläger anwendbar seien. „Für die Problematik des Waldsterbens genügt der kleinnachbarliche Interessenausgleich nicht mehr“, sagte Krohn. Auch die existierenden Vorschriften im Bundesemissionsschutz–Gesetz, die Ansprüche gegen Betreiber von emittierenden Anlagen gewähren, beziehen sich nach Überzeugung des BGH „nur auf Emissionen im Nachbarschaftsbereich“ und setzen „grundsätzlich voraus, daß die einzelnen Emissionsbeiträge einem bestimmten Anlagenbetreiber zurechenbar“ seien. Für neuartige Waldschäden sei aber gerade charakteristisch, daß sie in Folge des Ferntransports der Schadstoffe über die Luft in großer Entfernung der emittierenden Anlage entsteht. Doch die einzelnen „Emissionsbeiträge“ der „Emittenten bei fernen Waldschäden“ könne man ermitteln. Weil das Bundesemissionsschutz–Gesetz darüber hinaus keine Entschädigungsvorschriften für Waldschäden vorsieht, hätten die Kläger auch keine Entschädigungsansprüche. Der BGH stellte dabei ausdrücklich fest, daß die Kläger sich mit keinerlei Rechtsvorschriften gegen das Waldsterben wehren können, da der einzelne Waldbesitzer „kaum jemals in der Lage“ sein werde, die ihn schädigenden Anlagenbetreiber zu identifizieren und die Schadensursächlichkeit der von bestimmten Anlagen ausgehenden Emissionen nachzuweisen. Auch das Staatshaftungsrecht bietet da keine Hilfe, so der Senat. Zum Schluß der mündlichen Urteilsbegründung appellierte der Senatsvorsitzende eindringlich und mit deutlichen Worten an den Gesetzgeber, für diese Fälle eine Regelung zu treffen. Der Staat habe gerade bei den Lebensgrundlagen der ganzen Nation - und dazu zähle der Wald - die besondere Pflicht für Lebensgrundlagen zu wahren. Die „fehlenden gesetzlichen Grundlagen zu unbedingt nötigen Regelungen, die das Waldsterben verhindern“, seien in den beiden Verfahren des Waldbauern Killgus und der Stadt Augsburg dafür verantwortlich gewesen, daß beide Kläger keinerlei Ansprüche gehabt hätten. Denn dem Grunde nach halte der Senat die neuartigen Waldschäden für „entschädigungswürdig und entschädigungsbedürftig“. Felix Kurz

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen