: Täterschema
■ Freispruch für Holger Gensmer nach 16 Jahren Haft
Den größten Anteil am Freispruch im Hamburger Revisionsverfahren hat Anwalt Gerhard Strate. Der Fall Gensmer ist erst der sechste in der bundesdeutschen Justizgeschichte, in dem bei einem Kapitalverbrechen ein Wiederaufnahmeverfahren samt Freispruch erfolgte. Über zwei Jahre lang hat Anwalt Strate akribisch ermittelt und dabei ein verschollenes Protokoll ausgegraben. Ein wesentliches Verdienst kommt auch der ehrenamtlichen Betreuerin des Gefangenen und dem Anstaltspsychologen zu, bei denen der eingeschüchterte Gensmer erste Unterstützung und neues Selbstbewußtsein fand. Der Fall wirft zugleich exemplarisch ein Schlaglicht auf die Arbeitsweise von Polizei und Staatsanwaltschaft. Wer das Pech hat, in ein vorgeformtes Schema zu passen, gerät in den Augen der Polizei sehr schnell zum Täter. Das muß bei den Ermittlern keine bewußte böse Absicht gewesen sein, Jagdfieber und Erfolgszwang haben ihre besondere Dynamik. Und offensichtlich fehlt die Einsicht in die eigene Unfähigkeit: Die Staatsanwaltschaft hatte sogar der Einsicht des Alibivermerks durch Anwalt Strate widersprochen, dann dem Wiederaufnahmeverfahren Widerstand entgegengesetzt und schließlich sogar trotz neuer Beweislage die Bestätigung des alten Urteils verlangt. Ute Scheub
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