Jo Leinens Suche nach einem Giftmüllstandort

■ Der saarländische Umweltminister weiß nicht wohin mit seinem Giftmüll / Geplantes Deponieprojekt stößt auf erheblichen Widerstand Das Gegengutachten eines Ökologie–Instituts konstatiert gravierende konzeptionelle Widersprüche und Mängel in Regierungsgutachten

Von Felix Kurz

Saarbrücken(taz) - Das Institut für ökologische Forschung und Bildung, Hannover, hat dem saarländischen Umweltminister Jo Leinen (SPD) vorgeworfen, bei der Suche nach dem Standort für eine Giftmülldeponie mit falschen Darstellungen zu operieren. In einer über 60seitigen Stellungnahme attestiert das Institut dem von der Landesregierung in Auftrag gegebenen Gutachten eines Ingenieurbüros (Titel: „Sonderabfalldeponie im Saarland“) „gravierende konzeptionelle Widersprüche“. Zudem würden langzeit–sicherheitsrelevante Probleme weitgehend nicht berücksichtigt, so die Autoren. Die saarländische Landesre gierung hatte am 8. September als möglichen Standort für eine Giftmülldeponie die Gemeinde Eft– Hellendorf bestimmt. 25.000 Tonnen „Sonderabfälle der Kategorie 2“ sollen dort pro Jahr deponiert werden. Eft–Hellendorf liegt - wie sollte es anders sein - an der Landesgrenze zu Frankreich und Luxemburg. Der Kabinettsbeschluß sorgte bei der Bevölkerung für Empörung und führte zu zahlreichen Protestaktionen und der Gründung einer Bürgerinitiative „Rettet das Leukbachtal“. Die Kommunalpolitiker warfen Leinen vor, den Standort klammheimlich ausgewählt zu haben. Umweltminister Jo Leinen untermauerte sein Giftmüllprojekt mit einem Gutachten der Ingenieurgemein schaft Jäger und Partner, das aus insgesamt fünf möglichen Standorten Eft–Hellendorf als geeignet ausgewiesen hatte. In ihrer Stellungnahme kommen die Autoren Ilse Albrecht, Jürgen Kreusch und Detlef Appel vom Institut für ökologische Forschung und Bildung jedoch zu völlig anderen Ergebnissen. Das Jäger–Gutachten stelle lediglich ein technisches Bauwerkkonzept, nicht jedoch ein Deponiekonzept dar. In dem von Leinen beauftragten Gutachten sei die Darstellung des sogenannten „Multibarrierensystems falsch“. So würden mehr als die tatsächlich vorhandenen Barrieren aufgeführt und eine darüber hinaus notwendige Bewertung erfolge erst gar nicht. Ohne eine solche Bewertung sei die Einführung eines „Multibarrierensystems in die Sicherheitsbetrachtungen sinnlos“ und diene „bestenfalls der Darstellung von Scheinsicherheit“. Auch die hydrogeologischen Verhältnisse seien für eine Langzeitsicherheit der Deponie ungeeignet. So sei die Verunreinigung des Grundwassers langfristig nicht auszuschließen und die des Leukbaches ebenfalls unvermeidlich. Die von der Landesregierung behauptete ca. 30 Meter dicke Tonschicht unter dem Deponiestandort sei „nur wenige Quadratmeter groß und keineswegs unter dem gesamten geplanten Deponiekörper zu finden“. „Teilweise“, so der saarländische Regionalbeauftragte der Grünen, Dieter Grünewald, zur taz, sei die Tonschicht „gerade drei bis vier Meter dick“. Grünewald kritisierte auch, daß „Leinen offenbar nur fünf Bohrungen ausreichen, um einen Standort für eine Giftmülldeponie zu nennen“. Wie die geologische Struktur unterhalb der Tonschicht aussehe, sei überhaupt noch nicht erforscht worden. Die von der Landesregierung aufgestellte große Anzahl von „Bewertungskriterien“ „täuscht“ nach den Worten von Jürgen Kreusch eine „Bewertungsgenauigkeit vor, die durch die verfügbaren Daten nicht gedeckt wird“. Die saarländischen Grünen verlangen von der Landesregierung jetzt die Rücknahme der Standortentscheidung und ein neues Verfahren zur Standortsuche unter Beteiligung aller Betroffenen.