piwik no script img

Atomtransporte via Persilschein

■ Beim Transport von leicht– und mittelaktivem Atommüll hatte die Firma Transnuklear alle Freiheiten / Konditionierung im belgischen Mol sollte Volumen des Atommülls verkleinern / Genehmigungen von einzelnen Beamten „nebenher“ erteilt

Berlin (taz) - Grüne und Umweltverbände sehen in der Transnuklear–Affäre vor allem einen Skandal der Kontroll– und Aufsichtsbehörden. Diese Einschätzung setzt voraus, daß überhaupt so etwas wie eine Kontrolle stattfindet. Daß dem nicht so ist, belegt die übliche Praxis der Abwicklung von nuklearen Transporten schwach– und mittelaktiver Abfälle. Das Öko–Institut Darmstadt zitiert die Transnuklear mit der Zahl von bis zu 2.000 Transporten pro Atomkraftwerk, die in einem Jahr anfallen. Diese Transporte werden in der Regel nicht einzeln genehmigt. Gemäß Paragraph 8, Absatz 3 der Strahlenschutzverordnung kann eine dreijährige Dauer–Transportgenehmigung erteilt werden. Mit diesem Persilschein ausgestattet, kann Transnuklear dann in Eigenverantwortung seine Transporte abwickeln. Ausgestellt werden die Dauer– oder Einzelgenehmigungen für schwach– und mittelaktive Abfälle, wie sie etwa nach Mol gegangen sind, in der Regel von den Regierungspräsidien. De facto sieht dann die „Kontrolle“ so aus, daß ein einzelner Beamter neben vielen anderen Aufgaben „nebenher“ Atomüll–Transporte genehmigt. Diese Praxis erklärt die gegenwärtige Ahnungslosigkeit, was, wann und wohin geliefert worden ist. Die Atommüll–Transporte nach Mol hatten vor allem einen Zweck: Die Belgier sollten durch die sogenannte Konditionierung das Volumen des Atommülls reduzieren. Die Abfälle werden also verbrannt, verpreßt oder mit Zement gebunden, wenn sie in flüssiger Form vorliegen. 100 Fässer hin, 20 zurück! Die zurückgelieferten Abfälle werden dann im Hilfsanlagengebäude des AKW oder in der AKW–Lagerhalle untergestellt, wo sie bis zum jüngsten Tag der Endlager–Bereitstellung „zwischen“gelagert werden. Der erhebliche Anfall an schwach– und mittelaktivem Müll, der für jedes große Atomkraftwerk (1.300 MW) auf 1.300 Fässer geschätzt wird, brennt den Betreibern seit langem auf den Nägeln und macht eine Volumen–Reduktion durch Konditionierung erforderlich. Bei den Transporten übernahm Transnuklear nach Einschätzung von Branchen–Kennern mehr als nur Taxi–Funktionen. Die Firma garantierte im Rahmen ihres Service– Angebots offenbar die Abfuhr des Mülls, auch wenn es sich um nicht ganz astreine Abfälle handelte. Daß auch solche Abfälle nach Mol geliefert wurden, die für die dortige Verarbeitung nicht geeignet waren, wurde gestern vom belgischen Energieministerium bestätigt. -man–

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen