Chronologie der Affäre

Als die libanesische Hauptstadt Beirut am 14. Juni 1985 Schauplatz einer spektakulären Flugzeugentführung wurde, war zunächst nicht abzusehen, welche Konsequenzen dies noch für die Bundesregierung haben würde. Am 13. Januar 1986 aber wurde der Libanese Mohammed Hamadi auf dem Frankfurter Flughafen mit Sprengstoff im Gepäck festgenommen. Fingerabdrücke wiesen daraufhin, daß er vermutlich an der Entführung der amerikanischen TWA–Maschine im Juni 1985 beteiligt war, bei der der amerikanische Marinetaucher Robert Stethen erschossen wurde. Damit wurde eine Kette von Ereignissen in Gang gesetzt, die gestern zur Eröffnung des Prozesses gegen Abbas Ali Hamadi führte. Vier Tage nach der Festnahme von Mohammed Hamadi am 17. Januar 1987 wurde in Beirut der deutsche Manager Rudolf Cordes entführt, 72 Stunden später der Siemens–Techniker Alfred Schmidt. Am 19. Januar verhängte die Bundesregierung eine Nachrichtensperre. Am nächsten Tag ging ein Auslieferungsgesuch des US–Justizministeriums ein, in dem zugesichert wurde, daß dem damals 22jährigen Mohammed Hamadi in den USA keine Todesstrafe droht. Am 24. Januar drohten die Entführer erstmals mit der Hinrichtung der beiden Geiseln, falls Hamadi nicht freigelassen werde. Zwei Tage später wurde Abbas Ali Hamadi bei der Einreise in Frankfurt festgenommen. Nachdem die Polizei ihn verhört hatte, hob sie nahe dem saarländischen Ort Beckingen ein Sprengstoffdepot aus. Das Auslieferungsverfahren im Falle Mohammed Hamadi zog sich unterdessen hin. Anfang Juni erörterten Bundeskanzler Kohl und US–Präsident Reagan die Frage am Rande des Weltwirtschaftsgipfels in Venedig. Eine Woche später identifizierten Passagiere des entführten TWA– Flugzeuges Mohammed Hamadi als einen der Luftpiraten. Am 24. Juni entschied die Bundesregierung, ihn nicht an die USA auszuliefern, sondern ihn wegen Flugzeugentführung, Mord und anderen Delikten vor Gericht zu stellen. Der Beschluß wurde mit Rücksicht auf die deutschen Geiseln im Libanon gefällt. Am Vortag hatte US–Justizminister Meese gegenüber Innenminister Zimmermann das Einverständnis der US–Regierung signalisiert. In einer Erklärung der Entführer, die sich den Namen „Mudjaheddin für die Freiheit“ zugelegt hatten, wurde die Nichtauslieferung am 8. Juli begrüßt. Zugleich foderten sie die Bundesregierung auf, dafür zu sorgen, daß Syrien nicht länger verdächtigt werde, den „Terrorismus“ zu unterstützen. Einen Monat später wurde - möglicherweise als Antwort darauf - die internationale Fahndung nach dem syrischen Geheimdienstler Abu Haitham eingestellt, dem Verwicklungen in einen geplanten Anschlag auf eine israelische El–Al–Maschine nachgesagt wurden. Auch die Wiederaufnahme der eingefrorenen Entwicklungshilfe für Syrien am 7. Juli könnte mit der Geiselfrage im Zusammenhang stehen. Am 25. August meldeten sich die Entführer erneut mit einer Videokassette zu Wort, auf der Alfred Schmidt die Bundesregierung auffordert, im Austausch gegen seine Freilassung Mohammed Hamadi auf freien Fuß zu setzen. Am 8. September wurde Schmidt freigelassen. Er kehrte über eine Zwischenstation in der syrischen Hauptstadt Damaskus in die BRD zurück. Die Firma Siemens dementierte Berichte über eine Lösegeldzahlung in Höhe von acht bis zehn Millionen Mark. Am Montag abend meldeten sich die Entführer erneut (siehe Dokumentation). Der Text legt nahe, daß vor dem Verfahren gegen den mutmaßlichen Flugzeugentführer nicht mit einer Freilassung von Cordes zu rechnen ist. Angesichts der Nachrichtensperre der Bundesregierung wird erst der weitere Verlauf der Prozesse gegen die beiden Hamadi– Brüder, deren Strafmaß oder möglicherweise auch eine Begnadigung Aufklärung über Abmachungen hinter den Kulissen geben können. Beate Seel