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Krupp AG probt Ablenkungsmanöver

■ Neues Schreiben der Krupp AG setzt auf Rechenspiel um Arbeitsplätze / Bei den Rheinhausener Stahlwerkern wächst die Wut / Kritik auch an die Adresse der IG Metall

Von Petra Bornhöft

Bochum (taz) - Statt der am vergangenen Freitag von Krupp– Sprecher Dr.Berg angekündigten Stellungnahme zu möglichen rechtlichen Schritten gegenüber den „widerrechtlichen Arbeitsniederlegungen der Rheinhausener Stahlarbeiter wiederholte der Konzern–Sprecher am Montag seine Behauptung, im Zuge der geplanten Stillegung des Duisburger Werkes werde „kein Arbeiter auf die Straße gesetzt“. In einem Schreiben des Vorstandes der Krupp Stahl AG an Bundes– und Landespolitiker behaupten Vorstandsvorsitzender Cromme und Arbeitsdirektor Karl Meyerwisch, von den derzeit 5.300 Arbeitern würden 2.150 „dauerhaft“ in der neuen Gesellschaft Hüttenwerke Krupp–Mannesmann „einen ihrer bisherigen Tätigkeit entsprechenden“ Arbeitsplatz finden. Für die verbleibenden 3.150 Beschäftigten seien „verschiedene Anpassungen“ vorgesehen. Die bisher in der Öffentlichkeit genannten Zahlen zum Abbau von Arbeitsplätzen entsprächen nicht der Wirklichkeit. Als „kopflos und unverschämt“ bezeichnete Manfred Bruckschen, Betriebsratsvorsitzender von Krupp–Rheinhausen, das Schreiben. „Zu den 5.300 Beschäftigten muß man 500 Auszubildende und etwa 4.000 Arbeitnehmer von Fremdfirmen und der Zulieferindustrie hinzurechnen, deren Arbeitsplätze bei einer Stilllegung vernichtet würden“, sagte Bruckschen gegenüber der taz. Die Stellungnahme der Unternehmensleitung sei eine Unverschämtheit angesichts der Übereinkunft aller Seiten, bis zur Stahlrunde am 22.Februar „still zu hal ten und auf allen Ebenen Gespräche über Modelle zur Erhaltung des Stahlstandortes zu führen“. Bruckschen, in dessen Büro sich während des Telefongespräches erneut empörte Arbeiter versammelten, fragte: „Warum verhandeln wir eigentlich noch und beauftragen Gutachter?“. Auf große Wut in Rheinhausen war auch ein Interview des Bundeswirtschaftsministers gestoßen, der über die Bild–Zeitung hatte verbreiten lassen, das Stahlwerk sei „beim besten Willen nicht zu halten“. Daraufhin schmissen mehrere hundert Arbeiter der Nachtschicht am frühen Montag die Brocken hin. Am späten Sonntag abend waren rund 200 Kruppianer in einem spontan organisierten Auto– Corso hupend von Rheinhausen zum Duisburger DGB–Haus gefahren. Vor dem Hauptportal luden sie rund 20 Kohlesäcke ab und entzündeten vier Mahnfeuer vor dem Haus der Gewerkschaft. Der Rheinhausener Vertrauensmann Dieter Kolditz erklärte: „Dieses Feuer soll nicht nur ständig daran erinnern, in welcher prekären Situation wir Rheinhausener uns befinden, sondern auch - und das ganz besonders - unsere Gewerkschaft, die IG Metall daran erinnern, daß sie in dieser Situation für uns etwas tun muß.“ An IG Metall– Chef Franz Steinkühler sprach er die Einladung aus: „Wir wünschen uns, daß du, Franz, kommst. Komm her, hab keine Angst, denn wir sind bei dir.“ Duisburgs IG–Metall–Bevollmächtigter, Willi Scholz, erwies sich in seiner Antwort an die Kollegen wortgewandt: „Wir freuen uns, daß ihr den Weg zu uns gefunden habt, Kollegen. Ihr wißt, wohin ihr gehört.“

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