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Kapitalismus mit weiblichem Charme

Autonome Frauen, Bankerinnen und Karrierefrauen trafen sich bei der Tagung „Der unwiderstehliche Charme des Geldes“ / Wie machen Frauen Karriere? Brauchen wir weibliche Seilschaften?  ■ Von Helga Lukoschat

Gelernt habe ich viel auf dieser Tagung „Der unwiderstehliche Charme des Geldes“. Und sollte dort nicht auch das „Geheimnis des Geldes“ enttarnt und ohne Tabus über die Frau als „Geldbezieherin und Geldverwenderin“ informiert werden?

Gelernt habe ich so schöne Wörter wie „Kundensegment“, „Eigenkapitalanteil“ oder „Konsumentenkredit“. Gelernt habe ich – als Bezieherin eines alternativen Kummerlohns –, daß ab einer bestimmten Größenordnung von Einkommen, sechsstellig zum Beispiel, keine mehr von Monatsgehältern spricht. Und erfahren habe ich, daß es unter den Karrierefrauen neben den aalglatten und auf „Personality“ Gestylten überaus sympathische und attraktive Bankerinnen gibt, mit denen sich in der Kellerbar hervorragend zechen läßt. Und die dennoch, wie ist das möglich, die 100.000 DM-Einkommensgrenze überschritten haben.

Solche Berührungsängste abzubauen, war ein Anliegen des dreitägigen Seminars, das Marlene Kück, Wissenschaftlerin und gestandene alternative Finanzfrau zusammen mit Berliner Projektfrauen in der Evangelischen Akademie Arnoldshain bei Frankfurt organisiert hatte. Als Vorstandsmitglied der Berliner „Haftungsassoziation“ vergibt Marlene Kück Bürgschaften für selbstverwaltete Betriebe. Nachdem bereits vergangenes Jahr die Berliner Bank einen hochkarätigen Kongreß zu „Frauen und Geld“ durchgeführt hatte, war es jetzt anscheinend höchste Zeit, mit der offiziellen Bankenwelt gleichzuziehen und vor allem den autonomen Frauen die Hemmungen vor dem Großen Geld zu nehmen.

Entsprechend geschickt die Einladungspolitik: Da gab es die professionellen Frauenpolitikerinnen und die Frauen aus Projekten oder Zusammenschlüssen wie dem feministischen Netzwerk „Goldrausch“. Ihnen wurde zum Beispiel unter dem Stichwort „Mäzenatinnentum“ unverblümt nahegelegt, bei den zahlreich anwesenden Managerinnen und Unternehmerinnen mit Spendenquittungen hausieren zu gehen.

„Zur Rolle der Geschäftsfrau in der Gegenwart“ – unter diesem Titel spielte sich dann ein Lehrstück auf dem Podium ab.

Die Aufstiegslitanei

Wie kommt eine Frau dazu, Karriere zu machen? Wie gerät sie unter diese seltene Spezies? Denn von den rund 52.000 Spitzenpositionen in der Wirtschaft, so eine Untersuchung der Zeitschrift Capital, sind etwa 2.000, also schlichte vier Prozent, von Frauen besetzt. Antwort der Podiumsfrauen: über glückliche Zufälle. Und das heißt: Es fällt der glücklichen Frau der richtige Mann zu.

Bei Olga Nowothnig, Geschäftsführerin der Keramik Manufaktur Kupfermühle GmbH & Co KG ging es nach dem Muster: „Keramikdesignerin heiratet Juniorchef“. Auf einer Party traf Renate Hauser, bis dato perspektivlose Germanistin und Philosophin, heute Ressortleiterin bei Capital ihren Bankdirektor. Stand am nächsten Morgen vor seinem Schreibtisch und ließ sich nicht mehr verscheuchen, bis sie einen Job in der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit seiner Bank hatte. Von da gings bergauf. Gisela Böhme von der Akademie für Führungskräfte Bad Harzburg traf den Richtigen für den Sprung auf den Karrierezug gar im Intercity. Lore-Roman-Geschichten?

Aber um den Zufall beim Schopf zu packen, so plauderten die Karrierefrauen aus dem Nähkästchen, müsse frau natürlich fachlich kompetent und ehrgeizig sein, und Spaß müsse sie haben an der Karriere und auch ein bißchen Lust an der Macht, aber letztlich hieße es „Schuften, Schuften, Schuften“ (Renate Hauser). Und nicht anders als ihre männlichen Kollegen predigten die Frauen damit die immergleiche Litanei des Aufstiegs.

Karriereplanung im klassisch- männlichen Sinn hat vor allem Sonja Bischoff, Professorin an der Hamburger Hochschule für Wirtschaft und Politik, betrieben. Ihr hatte der Zufall nach dem Abitur ein marodes Omnibusunternehmen vor die Füße gelegt und sie dazu animiert, Betriebswirtschaft zu studieren. An kaltlächelnder Arroganz wurde die 40jährige Professorin, die sich selbst als „Wissenschaftsmangerin“ begreift, nur noch von einer „Headhunterin“ übertroffen. Diese ließ keine Gelegenheit aus, sich über die „Larmoyanz der Frauenbewegung“ und die „Militanz gewisser Feministinnen“ zu mokieren. Headhunter sind übrigens Personen, die Führungkräfte aufspüren, abwerben und verschachern.

Und was ist mit Kindern, Partner, Familie? Während Männer ab 50 in Toppositionen zu 95 Prozent verheiratet sind und größtenteils Väter von zwei Kindern, sind 49 Prozent der weiblichen Führungskräfte über 50 Jahre ledig oder geschieden. Nur vier von zehn Frauen, so die erwähnte Capital- Studie, haben Kinder. In der Altersgruppe bis 40 Jahren sind 83 Prozent der Männer, aber nur 73 Prozent der Frauen verheiratet oder leben fest mit einem Partner zusammen.

Kinder seien mit ihrem Arbeitsstil nicht vereinbar gewesen, erklärten die Freundinnen Hauser und Bischoff unisono. Verheiratet sind sie allerdings beide, und im „Liebesleben“, wie Sonja Bischoff auf Nachfrage cool bekannte, sei sie „voll ausgelastet“. Irgendwelche blauen Flecke auf der Seele? Aber nein.

„Liebe ist doch die schönste Sache der Welt“, offenbarte dagegen Birgit Römhildt, Mitte Dreißig, Geschäftsleiterin von Hertie Stuttgart (“550 Angestellte, 100 Millionen Umsatz“), ledig und „sehr bemüht“ um die innerbetriebliche Frauenförderung.

Ob sie sich auch für bessere Frauenlöhne, für Gehaltserhöhungen bei ihren Verkäuferinnen einsetze, wollten einige Teilnehmerinnen wissen. Da wurde Frau Römhildt ärgerlich. „Man kann nicht Äpfel mit Birnen vergleichen“, klärte sie die in Wirtschaftsdingen offenbar unkundigen Frauen auf. Das sei Sache der Tarifverhandlungen, darauf habe sie keinen Einfluß.

Lob der Seilschaften?

Was also würde, was könnte sich ändern, wenn Frauen zu 20 oder 30 Prozent in den Spitzenpositionen säßen? Gebe es dann Chancen für eine „weibliche Unternehmenskultur“? Laut Marlene Kück könnte diese darin bestehen, daß Frauen sowohl einen anderen Führungsstil pflegen als auch sozial und ökologisch verträglicher wirtschaften. Hätte es, so muß ich mich dann fragen, mit einer weiblichen Führungsspitze keinen NUKEM/TRANSNUKLEAR- Skandal gegeben?

Sehr viel realistischer als diese Spekulationen auf einen Kapitalismus mit weiblichem Antlitz erschien mir der in vielen Gesprächen und Diskussionen angesprochene „Frauenbezug“. Bei den US-Amerikanerinnen, den Patinnen der ganzen Diskussion, heißt es prosaisch das „old-girls-network“, das Netzwerk der „alten Mädchen“. Während Karrierefrauen bislang im „Bienenköniginnensyndrom“ verharrten, wie es Gisela Brackert, Leiterin des Frauenfunks beim Hessischen Rundfunk formulierte, könnte sich künftig gezielte Förderung von Frauen durch Frauen entwickeln. Beispiele dafür gaben vor allem die Bankerinnen: Ellen Ehrich, heute Kundenabteilungsleiterin bei der Bank für Gemeinwirtschaft (BfG) Saarbrücken, beklagte sich vehement über die „Ochsentour“, die sie in ihren 18 Jahren bei der BfG habe mitmachen müssen. Dabei sei sie „richtig diskriminiert“ worden, und deshalb achte sie jetzt darauf, daß Frauen bei allen innerbetrieblichen Förder- und Weiterbildungsmaßnahmen mit von der Partie seien.

Und wenn wir sie wirklich hätten, beim Großkapital, in der Rüstungs-, Chemie- oder Atomindustrie, die vielbeschworenen „weiblichen Seilschaften“? Was wäre dann gewonnen?

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