„Suchen spendablen Begleiter“

■ Der „Hurenball“ des Berliner Prostituiertenprojekts Hydra sorgt für Aufregung in den Medien und für Unmut in der Szene

Im Vorzimmer filmt ein Kamerateam vom WDR, im Büro nebenan geht eine Livesendung für eine Münchner Radiostation über den Äther. Es herrscht Hochbetrieb in der Kantstraße 54, Berlin-Charlottenburg. „Hydra“, Berlins Selbsthilfeprojekt für Prostituierte, kommt ganz groß raus. Für den 6.Februar versprechen die Hydra-Frauen DAS Ballereignis 1988, den ersten Hurenball in deutschen Landen. Ort des glamourösen Vergnügens ist das Internationale Congreß-Centrum (ICC), und der Eintrittspreis ist nicht ohne: 150 Mark kostet die Karte, Büffett inklusive. Abendkleidung ist erwünscht. Dafür wird auf der Bühne einiges geboten: Ingrid van Bergen und Georgette Dee moderieren im Duett, Gianna Nannini interpretiert Brecht, Ingrid Caven ist ebenso dabei wie Mathilde Santing und Berlins Trash-Travestie-Truppe Ladies Neid.

Noch ist das Fest nicht gelaufen, und schon meldet sich öffentlich Protest gegen das Ereignis. „Die Mädels von Hydra wollen sich mit dem Ball nur profilieren und gehen an der Basis völlig vorbei“, nörgelt zum Beispiel Angela, Mitclit der „Autonomen Huren“, die sich aus Protest gegen den Hurenball zusammengefunden haben. „Ich habe mich mal im Kolleginnenkreis umgehört: Alle Frauen, die gern auf den Ball gehen würden, können sich das gar nicht leisten.“ Den Einwand läßt Pieke Biermann, Vorstandsmitglied von Hydra, nicht gelten: „Der Preis ist hoch, aber wir wollen Geld in die Kasse.“ Vom Reinerlös des Balls wird ein Fonds eingerichtet, aus dem Rechtshilfe für Prostituierte ebenso finanziert werden soll wie die AIDS-Arbeit und die Unterstützung für Huren, die aussteigen wollen. „Außerdem, wenn wir einen solch hochkarätigen Ball organisieren, dann doch nicht deshalb, weil wir mal ins ICC wollen. Aber für jene, die in diesem Land immer nur als das letzte und mit –Igitt- abgehandelt werden, bedeutet es unheimlich viel, genau in dieses hochkarätige Niveau reinzukommen. Das bedeutet Respektabilität, die wir ausbauen können, vor allem politisch.“

Helga Bilitewski von Hydra kann die Einschätzung der Auto nomen Huren nicht bestätigen: „Bei uns rufen täglich sehr viele Frauen von der Basis an, die sich unheimlich auf den Ball freuen.“ Noch immer ist das Vorurteil in der Szene groß. Hydra, ein Sozialarbeiterinnen-Verein, der die Frauen zum Ausstieg bewegen will? „Wir sind kein Ausstiegsprojekt. Unser Ziel ist die Anerkennung der Prostitution als Beruf und die Abschaffung der gesellschaftlichen und rechtlichen Diskriminierung“, so Helga Bilitewski. Mit dem Ball sollen gerade auch jene Frauen angesprochen werden, die nicht an Ausstieg denken. Und die lassen sich was einfallen, um zu ihrem Ball zu kommen. „Unternehmungslustige Bräute suchen spendierfreudige Begleiter für Hurenball“, war in den letzten Tagen unter den vermischten Kleinanzeigen in einer Berliner Tageszeitung zu lesen. Andere haben ihre Preise erhöht und verlangen derzeit von ihren Freiern einen Ball-Bonus.

Die Frauen von Hydra sind optimistisch, daß der Ball ein Erfolg wird. Kolleginnen aus anderen Städten haben schon ihr Kommen zugesagt, und auch die Freiergruppe aus Amsterdam – ein Zusammenschluß „aktiver Freier“, der die Hurenbewegung solidarisch unterstützt – hat schon Karten bestellt. Auch Berlins Sozialsenator Ulf Fink (CDU) will auf dem Ball erscheinen. Und Rita Süssmuth hat aus Bonn 250 Mark als Spende für den Fonds überwiesen. Nur – kommen will sie denn doch nicht. Elmar Kraushaar