: Kiel soll sauber werden
Abschlußbericht des Untersuchungsausschusses zur Barschel-Affäre schlägt gleichzeitig politische Konsequenzen vor / Parteien üben sich in Einigkeit ■ Aus Kiel Jörg Feldner
Im Kieler Politsumpf sollen wieder „Vertrauen und Glaubwürdigkeit“ einkehren. Dazu rufen jedenfalls alle Landtagsfraktionen im gestern veröffentlichten Untersuchungsbericht zur Barschel-Pfeiffer-Affäre auf. Nach vier Monaten Beratungszeit und 74 Sitzungen mit 102 Zeugen ist ein 500 Seiten starker Abschlußbericht entstanden.
In der Sache hat der Bericht, dessen Beweisermittlungsteile von allen vier Parteien einvernehmlich getragen werden, erwartungsgemäß nichts Neues gebracht. Dennoch sind einige politische Konsequenzen für Schleswig-Holstein praktisch schon beschlossene Sache. Am wichtigsten: Es wird künftig keinen „ewigen“ Ministerpräsidenten geben. Alle Parteien wollen die Amtsdauer des Regierungschefs an die Wahlperiode des Parlaments knüpfen. Geschäftsführenden Minderheitsregierungen, die nur deshalb nicht gestürzt werden, weil die Opposition sich auf kein konstruktives Mißtrauensvotum einigen kann, sind damit künftig ausgeschlossen.
Zweitens wollen alle Parteien das Selbstauflösungsrecht des Landtages einführen. Auch das ist ein Schritt zur Stärkung des Parlaments und zur Schwächung von Regierungen, die Neuwahlen bisher fast beliebig hinauszögern konnten. Drittens ist man sich in Kiel im Prinzip einig, daß die Befugnisse von Untersuchungsausschüssen gesetzlich ausgeweitet werden sollen.
Allzu hohe Erwartungen dämpfte Landtagspräsidentin Lianne Paulina-Mürl (SPD) gestern mit der Feststellung, daß der gebesserte Stil in Kiel seine politische Bewährungsprobe noch vor sich habe. Wie die Enquete-Kommission zur Schaffung sauberer Strukturen in der Staatskanzlei und zur Trennung von Parteien und Staat arbeiten wird, bleibt abzuwarten.
Die Vorschläge zur Stärkung von Parlament und Opposition werden ausdrücklich auch vom CDU-Spitzenkandidaten, Justizminister Heiko Hoffmann, getragen. Wieweit sie von der CDU- Basis getragen werden, ist fraglich. In den CDU-Kreisverbänden, die Hoffmann und andere CDU-Führungsleute gegenwärtig bereisen, werden liberale Christdemokraten immer noch als Verräter abgestempelt. Am deutlichsten war das kürzlich im CDU- Kreisverband Ostholstein: Nicht die Kieler Affäre war der wichtigste Grund für 165 Parteiaustritte, sondern die EG-Agrarpolitik, Blüms Chile-Reise, die angebliche Öffnung der BRD für Asylanten und die lasche Haltung Bonns in der Deutschland-Politik wurden an erster Stelle genannt.
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