Jüdische Siedler geraten außer Kontrolle

Übergriffe fanatischer Siedler gegen Palästinenser häufen sich / Brutaler Höhepunkt an diesem Wochenende / Militär duldet weiterhin Siedleraktionen / Palästinenser sprechen von zwei weiteren Toten / Shamir: Es herrscht der „alte Krieg“ zwischen Arabern und Juden  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Die brutalen Überfälle radikaler jüdischer Siedler auf arabische Ortschaften kamen am Sonntag auf einer Sitzung des israelischen Kabinetts zur Sprache. Am Veto von Ministerpräsident Jitzhak Shamir (Likud-Block) scheiterte jedoch ein Vorstoß von Ministern der Arbeiterpartei, die Siedler vor weiteren anti-arabischen Ausschreitungen in den besetzten Gebieten zu „warnen“.

In der letzten Woche war es wiederholt zu Übergriffen seitens der Siedler gekommen. In Hebron (Westbank) wurden am Samstag Hunderte arabischer Autos von Siedlern aus Kiriat Arba demo liert.

Diese Siedlung wird politisch von „Gush Emunim“ und dem radikal anti-arabischen Rabbi Meir Kahane dominiert. „Die Araber haben mehr Angst vor den Siedlern als vor der Armee“, erklärte Shmuel Ben Ishai, der Vorsitzender jenes „Aktionskomitees für die Sicherheit der Straße“, das die Verantwortung für die Aktion übernommen hatte, im israelischen Rundfunk. „Sie wissen, daß der Armee von den Politikern Beschränkungen auferlegt werden und sie nicht alles tun kann. Die Siedler sehen sich durch derartige Überlegungen nicht beschränkt und können tun, was sie wollen“, meinte Ishai weiter.

Die Einwohner des Dorfes Beit Omar, in dem am Sonntag drei Palästinenser getötet worden waren, haben unterdessen erklärt, die israelischen Truppen seien informiert gewesen, daß die Barrikaden auf den Straßen zum Schutz gegen Siedler errichtet worden seien.

Das hat die Soldaten jedoch nicht beeindruckt, die am Sonntagmorgen mit Tränengas, Gummigeschossen und scharfer Munition gegen die Palästinenser vorgingen. Nach Angaben der Armee seien die Soldaten mit Steinen angegriffen worden.

Der Kommandeur der Westbank, General Amram Mizna, hat bei einem Besuch der Siedlung Efrat am Sonntagabend erklärt, die „Strafaktionen“ der Siedler bereiteten ihm große Sorge. Dadurch könnten noch mehr Palästinenser in die Auseinandersetzungen einbezogen werden und der Aufstand sich auf Dörfer ausdehnen, die bisher ruhig geblieben seien. Dies erschwere die Aufgabe der Ar mee, für Ruhe zu sorgen. Gleichzeitig betonte der General, daß die Beziehungen zwischen dem Militär und den Siedlern ausgezeichnet seien.

Der neue Höhepunkt des palästinesischen Aufstandes am vergangenen Wochenende hat, zwei Monate nach seinem Beginn am 8. Dezember, offenbar auch einige Militärs nachdenklich werden lassen. Der Kommandeur des Gaza- Streifens, General Jitzhak Mordechai, warnte die Palästinenser davor, bei ihren Protestaktionen auf Schußwaffen zurückzugreifen. Die israelischen Militärs scheinen zu befürchten, daß Zusammenstöße zwischen Siedlern und palästinensern die Lage weiter verschärfen könnte.

Bislang hatten ausschließlich israelische Soldaten Schußwaffen eingesetzt. Demgegenüber sieht Ministerpräsident Shamir in der „Idee, zwischen Palästinensern und Israelis bestünde ein Konflikt“, als pure „Erfindung“ abgetan.

In Wirklichkeit seien die Auseinandersetzungen in den besetzten Gebieten nur eine „weitere Phase“ des alten Krieges der „arabischen Welt gegen die Existenz des jüdischen Staates“, erklärte Shamir in einem Interview mit der spanischen Zeitung El Pais.

Unterdessen gingen auch am Montag die Auseinandersetzungen zwischen Palästinesnern und israelischen Soldaten im Gaza- Streifen, der Westbank und Ostjerusalem weiter. Palästinensische Berichte über zwei getötete Demonstranten wurden von israelischer Seite zunächst dementiert. Der Palästinensische Pressedienst hatte gemeldet, ein 25jähriger Mann sei in Kafr Daddu bei Nablus (Westbank) unter noch ungeklärten Umständen durch einen Kopfschuß getötet worden. Im Gaza-Streifen sei in der Nähe des Flüchtlingslagers Bureij ein 16jähriger tot aufgefunden worden, der offenbar in der Nacht zum Montag zu Tode geprügelt worden sei.