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Der Countdown in Afghanistan beginnt

UN-Vermittler Cordovez blickt hoffnungsvoll auf die am 2.März in Genf beginnenden Afghanistanverhandlungen / Gorbatschow bietet Truppenrückzug unabhängig von Übergangsregierung in Kabul an / Mudjaheddin bleiben mißtrauisch / USA reagieren zurückhaltend positiv  ■ Von Erich Rathfelder

Zwar blieben noch letzte logistische und technische Einzelheiten zu klären, doch er sei sehr optimistisch, daß eine Lösung des Afghanistan-Konfliktes erreicht werde, erklärte UNO-Vermittler Diego Cordovez am Dienstag vor der Presse in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad. Cordovez, der in den letzten Tagen zwischen Islamabad und Kabul gependelt war, nannte vier Kernpunkte, die in einem durch UNO-Vermittlung zustandegekommenen Entwurf über ein Friedensabkommen zwischen Pakistan und Afghanistan, das ab 2.März in Genf verhandelt wird, enthalten sind: die gegenseitige Verpflichtung auf Nicht-Einmischung in die inneren Angelegenheiten; Garantien der Supermächte; Rückkehrregelungen für die afghanischen Flüchtlinge und der sowjetische Truppenrückzug. Der sowjetische Parteiführer Michail Gorbatschow hat den Abzug der sowjetischen Truppen in einer Rede am Montag in Moskau angeboten.

Wenn die Gespräche in Genf Erfolg hätten, wäre die Sowjetunion bereit, ab 15.Mai ihre Truppen aus Afghanistan abzuziehen. Der Truppenabzug, so Gorbatschow, könnte dann nach zehn Monaten abgeschlossen sein. Entscheidend an dem Angebot des Kremlchefs ist jedoch, daß er nun den sowjetischen Truppenabzug nicht mehr an die Bildung einer Koalitionsregierung in Kabul binden will. „Die eine Sache ist der Abzug der sowjetischen Truppen im Einklang mit den anderen Seiten der Lösung, einschließlich der Garantie der Nichteinmischung,“ heißt es in der Rede, „die andere Sache ist die nationale Aussöhnung und die Bildung einer Koalitionsregierung“ in Afghanistan. Die Sowjetunion würde froh sein, in Zukunft einen „unabhängigen und neutralen“ Nachbarn an ihrer Südgrenze zu haben.

Falls nach dem Truppenrückzug neue Kämpfe beginnen sollten, seien alle Staaten verpflichtet, sich nicht länger in die inneren Angelegenheiten Afghanistans einzumischen, erklärte Gorbatschow. Ausdrücklich forderte er den Iran auf, sich an einer politischen Regelung zu beteiligen. „Wenn nötig, wird man in dieser Etappe die Möglichkeiten erwägen, die Organisation der Vereinten Nationen, den Sicherheitsrat, zu nutzen.“ Ein Friede in Afghanistan hätte auch „tiefgreifende Auswirkungen“ in der „Kette regionaler Konflikte“, „im Nahen Osten im Zusammenhang mit dem Krieg Irak-Iran, in Südafrika, In Kampuchea oder in Mittelamerika“ versprach der Kremlchef.

Im Falle Afghanistans fielen die ersten US-amerikanischen Stellungnahmen positiv aus. Gorbatschow habe wichtigen Forderungen entsprochen und vor allem einen festen Zeitplan für den Truppenabzug vorgelegt. Mißtrauisch reagierten dagegen noch die Mudjaheddin, erklärte der UNO-Unterhändler Cordovez. Nach seinen Worten haben sich die afghanischen Parteien, einschließlich des kommunistischen Präsidenten Najibullah schon auf die Bildung einer breiten Regierung geeinigt. Aus der pakistanischen Stadt Peshawar, dem Zentrum der Widerstandsorganisationen, kommen aber auch andere Töne. Einige führende Vertreter des Widerstandes haben mit Blick auf die Verhandlungsbereitschaft der USA unlängst wissen lassen, daß sie keiner Regelung zustimmen wollten, die ohne ihre direkte Beteiligung vereinbart werde.

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