■ PORTRAIT
: Nora Astorga ist tot

Zur „Mata Hari“ der nicaraguanischen Revolution war Nora Astorga von der sensationsgeilen Presse hochstilisiert worden. Dabei haftete ihr nichts von Verruchtheit an. Ihr bescheidenes, ja nahezu schüchternes Auftreten stand in deutlichem Kontrast zur eleganten, hochgewachsenen Erscheinung der UNO-Botschafterin. Nora Astorga war schon lange krebskrank: am Sonntag ist sie 39jährig in Managua gestorben.

Der Beiname der ehemaligen Vizeaußenministerin geht auf die Zeit rund ein Jahr vor dem Sturz Somozas zurück: ein berüchtigter Folterer, der Oberst der Nationalgarde Reynaldo Lopez Vega, hatte der attraktiven Anwältin, die heimlich mit den Sandinisten zusammenarbeitete, längere Zeit beharrlich Avancen gemacht. So bestellte sie ihn eines Tages im Auftrag der FSLN zu einem vermeintlichen Schäferstündchen zu sich nach Hause. Statt einer Liebesnacht erwarteten ihn einige „muchachos“, die den Oberst als Geisel nehmen und gegen 59 gefangene Kameraden austauschen wollten. Als er sich zur Wehr setzte, wurde er getötet. Die damals 28jährige Frau aus der besseren Gesellschaft muß fest an den Sieg ihrer Sache geglaubt haben. Sonst hätte es sie wohl große Mühe gekostet, ihre gute Position aufzugeben, um in den Untergrund zu gehen. Dementsprechend sorgte das Ereignis nicht nur in der nicaraguanischen Presse für Schlagzeilen.

Nora Jenkins, die ihrer neuen Identität durch die Wiederannahme ihres Mädchennamens Astorga Rechnung trug, kämpfte die letzten Monate bis zum Sieg der Revolution an der Südfront mit Eden Pastora. In der Revolutionsregierung wurde die weltgewandte Juristin mit dem stellvertretenden Außenministerposten betraut. 1984 sorgte die bereits dem Tode geweihte Frau neuerlich für internationales Aufsehen: die USA verweigerten ihr das agrement für die Botschafterstelle in Washington. Als Begründung wurde ihr die Beteiligung an der Ermordung Lopez Vegas vorgehalten. Die beiden letzten Jahre ihres Lebens wirkte Nora Astorga als Botschafterin bei den Vereinten Nationen, wo sie ihr Land oftmals gegen Anwürfe von den USA verteidigen mußte.