Vranitzky, Mock und Waldheim bleiben

■ Österreichs Regierung will keinen Koalitionsbruch / Waldheim läßt gegen Spiegel ermitteln / Thatcher will Akte über sechs britische Kriegsgefangene öffnen

Berlin – (afp/dpa/rtr/ap/taz) – Österreichs Koalitionsregierung aus SPÖ und ÖVP will auch nach der Rede von Präsident Kurt Waldheim vom Montag abend, in der dieser seinen Rücktritt kategorisch ausschloß, im Amt bleiben. Dies unterstrichen Kanzler Franz Vranitzky (SPÖ) und Vizekanzler Alois Mock (ÖVP) nach einer Kabinettsitzung am Dienstag. In Anspielung auf Waldheims Rede, in der dieser von seinem „ruhigen Gewissen“ sprach, meinte der Kanzler: „Mit einer Rede wird es nicht getan sein, und mit dieser speziellen schon gar nicht.“ Es gehe schon längst nicht mehr um die Kriegsvergangenheit Waldheims, sondern um das Ansehen Österreichs im Ausland. „Es kann uns nicht gleichgültig sein, daß uns in den letzten zwei Jahren nur zwei Regierungschefs, aus der Sowjetunion und aus Liechtenstein, besuchten“, warnte Vranitzky.

Am Dienstag ermächtigte Waldheim die Staatsanwaltschaft Wien, gegen den Spiegel wegen Verleumdung zu ermitteln. Dieser hatte sich am Vortag bei seinen Lesern dafür entschuldigt, ein offenbar gefälschtes Dokument, das er zwei Wochen zuvor als Beweis für Waldheims Mittäterschaft bei Kriegsverbrechen präsentiert hatte, „nicht mit der gebotenen Distanzierung präsentiert zu haben“. Nachdem nun der Waldheim-Bericht der internationalen Historiker-Kommission vorliegt, hat die britische Regierung angekündigt, die Akte über das Verschwinden von sechs britischen Soldaten während des Zweiten Weltkriegs in Griechenland zu öffnen. Zwar hat die Kommission keinen Beweis dafür erbracht, daß Waldheim als damaliger Wehrmachtsleutnant die sechs gefangengenommenen Briten 1944 selbst verhört hat. Doch ist aufgrund der vorliegenden Materiallage anzunehmen, daß er bei Verhören zugegen war. Wahrscheinlich ist, daß er wußte, daß die sechs Gefangenen nach den Vernehmungen dem Sicherheitsdienst „zur Sonderbehandlung gemäß Führerbefehl“, d.h. zur Ermordung, überstellt wurden. thos