piwik no script img

Putschkarussell in Panama

■ Panamas Präsident verschätzte sich: Kaum entließ er seinen Armeechef Noriega, wurde er selbst entlassen

Nach der Entmachtung des Präsidenten von Panama, Arturo Delvalle, sind die US-Truppen am Kanal in Alarmbereitschaft versetzt worden. Delvalle hatte sich bei dem Versuch, seinen Armeechef, General Manuel Antonio Noriega, aus dem Amt zu hebeln, verhoben. Noriega, in dem die USA eine Schlüsselfigur des lateinamerikanischen Kokainhandels sehen, hatte erst vor zwei Wochen den Abzug der US-amerikanischen Truppen gefordert.

Innerhalb von 24 Stunden Putsch und Gegenputsch – und alles im Rahmen der Verfassung: „Panama durchlebt einen der schwierigsten und gefährlichsten Phasen seiner Geschichte.“ Am gefährlichsten ist die Lage gewiß für den Präsidenten Panamas, Arturo Delvalle, von dem dieser Satz stammt: Er wurde kurz darauf vom Parlament abgesetzt.

Am Donnerstag noch erklärte Delvalle in einer Fernsehansprache den Armeechef Manuel Antonio Noriega für abgesetzt. Der General, der als der starke Mann des Landes gilt, ist seit Monaten Zielscheibe heftiger Angriffe der USA, die Delvalles Schritt sofort öffentlich begrüßten. Allerdings hat der Präsident offensichtlich die Rechnung ohne den Wirt gemacht: Der zum Nachfolger des Generals bestimmte Oberst Marcos Justines wies die Ernennung brüsk zurück, schwor Noriega die bedingungslose Treue und beteuerte, daß sich innerhalb der Streitkräfte niemand für das schmutzige Spiel gegen den wirklichen Armeechef hergeben werde.

Während der Generalstab zu einer Krisensitzung zusammentrat, rückten Einheiten der Nationalgarde entlang der 50. Straße mitten im Bankenviertel von Panama- Stadt auf, das in den letzten Monaten immer wieder Schauplatz oppositioneller Demonstrationen gewesen ist. Die Bevölkerung, soweit sie nicht zu Kundgebungen für oder gegen Noriega auf die Straße ging, stürmte die Supermärkte zu Panikkäufen.

Daß hinter dem beherzten Auftritt Delvalles die USA stehen, ist offensichtlich. Panama ist seit dem Vorjahr von der Wirtschafts- und Militärhilfe der USA abgeschnitten, und die Krise hat eine Kapitalflucht aus dem internationalen Bankenzentrum Panamas ausgelöst, die auf zwei bis acht Milliarden Dollar geschätzt wird. Um vor internationalen Finanzinstitutionen kreditwürdig zu bleiben, braucht Panama eine Bestätigung der USA, daß die Regierung in der Bekämpfung des internationalen Drogenhandels eine positive Rolle gespielt hat. Dieser Bescheinigung, die am 1. März fällig ist, steht General Noriega im Wege, der am 4. Februar in Florida wegen Drogengeschäfte angeklagt wurde.

Die Würfel dürften letzte Woche gefallen sein, als Präsident Delvalle in Miami mit dem US- Staatssekretär für Lateinamerika, Elliott Abrams, zusammentraf. Ohne die Rückendeckung der USA hätte Delvalle den Versuch, Noriega hinauszuwerfen, nicht gewagt.

Kurz nach der Präsidentenansprache im Fernsehen widersprach das staatliche Radio: Die gesamte Armeeführung erkenne als alleinigen Kommandeur den General Noriega an; der Militärsender unterbrach sein Programm laufend mit Solidaritätserklärungen für Noriega von Heereseinheiten, darunter auch die Eliteein heit, die zusammen mit den US- Truppen die Kanalzone verteidigen soll. Auch Anführer von Arbeiterorganisationen, die der Revolutionären Demokratischen Partei nahestehen, unterstützten den General und schoben die Schuld an dem Gerangel der starken Männer den USA in die Schuhe.

Noch für die Nacht berief der Vorsitzende des Parlaments eine Sondersitzung der Nationalversammlung ein, um über die Möglichkeit einer Absetzung des Präsidenten zu beraten, der von seiner Partei als „Verräter“ bezeichnet wurde. Die Sitzung dauerte nur zehn Minuten, dann waren Delvalle und der Vizepräsident Esquivel abgesetzt – einstimming. In der Sitzung wurde Delvalle vorgeworfen, er habe mit der Absetzung Noriegas gegen die Verfassung verstoßen und einer Einmischung der Vereinigten Staaten in die inneren Angelegenheiten Panamas nachgegeben.

Das Kabinett ernannte den bisherigen Erziehungsminister Manuel Palma zu neuen Präsidenten Panamas. Delvalle seinerseits sagte noch in der Nacht zum Freitag, er fühle sich weiter als Präsident. Kein demokratisches Land werde den Machtwechsel aner kennen. Die erste Runde scheint Noriega gewonnen zu haben.

Ob die Turbulenzen in der Nacht zum Freitag auch eine entscheidende Schwächung der Opposition nach sich ziehen, werden die nächsten Wochen erweisen. Seit der im Juni letzten Jahres abgesetzte Generalstabschef Diaz Herrera den Armeechef beschuldigt hatte, den früheren sozialdemokratischen Minister Hugo Spadafora ermordet zu haben, in ein Attentat gegen den früheren Staatschef General Torrijos verwickelt zu sein, 1984 einen Wahlbetrug organisiert zu haben und im Kokaingeschäft mitzumischen, fordert der sog. „Bürgerkreuzzug“ den Rücktritt des „starken Mannes“.

Der „Bürgerkreuzzug“ ist ein breites Bündnis politischer Parteien und mittelständischer Berufsorganisationen, das vom Präsidenten der Industrie- und Handelskammer angeführt und von der US-Regierung offen hofiert wird. Bedrängt von dieser mittelständischen Opposition, die mit ihren Forderungen nach Demokratie immer wieder die Straße gegen die Militärs mobilisiert hat, versucht Noriega in die Fußstapfen des 1981 bei einem mysteriösen Flugzeugunfall verstorbenen Torrijos zu treten und an die nationalen Gefühle der Panamaer zu appellieren.

General Torrijos, ein populärer Caudillo, hatte sich 1968 an die Macht geputscht, sich später als Sponsor der Sandinisten einen Namen gemacht und 1977 mit dem damaligen US-Präsidenten Carter die neuen Panamakanalverträge ausgehandelt. In seiner Antrittsrede versprach nun Manuel Palma, der nun die Nachfolge Delvalles angetreten hat und unter Noriega Präsident ist, eine „torrijistische Politik“ zu betreiben. Ralf Leonhard/thos/smo

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen