Hanau steht kopf

■ Staatsanwaltschaft bei Jungk endlich fündig

Na endlich! Und wir dachten schon, die Hanauer Staatsanwälte würden mit leeren Händen ergebnislos in 2.000 verschobenen Atommüll–Fässern schnüffeln. Nach monatelangem vergeblichem Graben im Hanauer Morast sind die Diener Justitias endlich fündig geworden. Aber nicht bei Nukem und nicht bei Alkem, sondern bei Robert Jungk. Dem prominentesten aller Atomkritiker wird der Prozeß gemacht: dem Mann, der die Verquickung von ziviler und militärischer Nutzung der Atomenergie schon thematisiert hat, als die Hanauer Ermittler Plutonium noch nicht von Schokoladenpudding unterscheiden konnten, dem Mann, der zur Leitfigur des Widerstandes gegen die Atomindustrie geworden ist. Jungk hat kein Plutonium und Uran verdealt oder im Kofferraum spazieren gefahren, er hat keinen Atommüll umdeklariert oder verschoben, er hat auch keine Atomanlage ohne Genehmigung betrieben, er hat niemanden bestochen, und er hat auch nicht mit Strahlenschutzbeauftragten im Bordell gesumpft. Jungk hat viel Böseres getan. Er hat einen alten, tausendmal gehörten Spontispruch in eine Menschenmenge gerufen: „Macht kaputt, was euch kaputt macht.“ Damit ist er zum politischen Gewalttäter geworden. Das Verfahren gegen Jungk ist ungeheuerlich. Es bringt einen Mann auf die Anklagebank, der eher pastoral als militant erscheint, es zeigt die Verweigerung der Strafverfolger, denjenigen Menschen zur Kenntnis zu nehmen, gegen den sie ermittelt. Es stellt mit diesem juristischen Salto Mortale die Hanauer Verhältnisse völlig auf den Kopf. Manfred Kriener