I N T E R V I E W „Die meisten fahren glücklich mit“

■ Die Psycholgin Berit Latza hat in Südostasien die Geschäftspraktiken von Frauenhändlern recherchiert

taz: Berit Latza, Sie haben für eine Studie über Sextourismus, die jetzt als Buch veröffentlicht wurde, mehrere Monate Thailand und die Philippinen bereist. Wie funktionieren die Geschäfte der Frauenhändler vor Ort? Berit Latza: Die Frauen werden in den ärmeren Provinzen der Länder angeworben - in Thailand ist das der Norden und Nordosten, auf den Philippinen sind es die Inseln Leyte und Samar. Den ersten Kontakt knüpfen meist einheimische Frauen, die vertrauenswürdig erscheinen. Sie werben bzw. kaufen die jungen Frauen direkt von den Eltern ab. Wenn diese Werberinnen oder Werber kommen, ahnt niemand, worum es geht? Nein, ich habe keine einzige Frau erlebt, die vorher wußte, daß sie als Prostituierte arbeiten wird. In die Provinzen fließen die Informationen nur spärlich. Die Eltern wissen oft überhaupt nicht, was so abläuft. Die meisten Frauen fahren ganz glücklich mit. Wie klinken sich jetzt die europäischen Händler in die Geschäfte ein? Die beschaffen sich ihren Nachschub aus den sogenannten Rotlichtvierteln von Bangkok oder Manila. Sie sehen sich in den Bars und Massagesalons um und kaufen dort die Frauen ein. Das sind übrigens fast alles weiße Männer. Es gibt aber auch regelrechte Umschlagplätze, wo die Frauen, die aus den Pro vinzen kommen, umgehend „versteigert“ werden. Was sind das für Männer, die diesen Menschenhandel durchführen? Ich habe ein paar Gespräche mit Barbesitzern geführt, die in Transaktionen, wie das dann so schön heißt, verwickelt waren. Es sind ziemlich unangenehme Burschen. Übersättigt, als Psychologin würde ich sagen: psychopathisch. Da gibt es nichts anderes als Geld, Geld, Geld ... Sie berichten in Ihrem Buch von einem österreichischen Ex–Soziologie–Studenten, der auf einer Weltreise in Manila hängen geblieben ist und jetzt Frauen an österreichische Bordelle verhökert. Solche Typen gibt es öfter. Jeder Kontakt mit diesen Männern war auf die eine oder andere Art ziemlich unangenehm. Einmal hab ich sogar eine Morddrohung bekommen. Irgendwann habe ich mir gesagt: Laß lieber die Finger davon. Die zweite Schiene der Geschäfte mit südostasiatischen Frauen sind die Heiratsvermittlungen. Ja, da läuft es allerdings anders ab, nämlich fast nur über Annoncen. Die Tageszeitungen in Manila sind voll mit Anzeigen nach dem Motto: Junger reicher deutscher Mann sucht philippinische Ehefrau. Ich selbst bin ganz oft angesprochen worden, kennst Du nicht einen netten jungen Mann? Die Heiratshändler finden genügend Frauen, die bereit sind, mitzukommen. Es ist aber auch schon vorgekommen, daß sich Heiratsagenturen mit Stellenanzeigen tarnen. Also eine Frau bewirbt sich auf eine Stelle als Sekretärin mit Bild und allem Drumunddran, und das wird dann hier veröffentlicht. Sie reist in der Aussicht auf einen Job hierher und stellt dann plötzlich fest, daß sie heiraten soll. Den Frauen, die ausreisen wollen, wird ganz bereitwillig der Paß ausgestellt? Sicher. Die Regierung profitiert ja auch davon. Zum einen kostet jeder Paß umgerechnet 500 DM, das ist für philippinische Verhältnisse wahnsinnig viel Geld. Zum anderen schicken die Frauen aus dem Ausland Geld nach Hause, das bringt Devisen. Was machen die deutschen Auslandsvertretungen? Die wissen doch, wieviel Mißbrauch getrieben wird? Die machen nichts. Die deutsche Botschaft in Manila verharmlost das Problem völlig. Zwei Mitarbeiter teilten mir mit, die meisten Ehen seien doch glücklich. Interview: Helga Lukoschat Berit Latza ist Autorin des Buches „Sextourismus in Südostasien“, das kürzlich im Fischer Taschenbuch Verlag erschienen ist.