: DGB–Basis: „Lafontaine raus!“
■ Streit um Arbeitszeitverkürzung und Lohnausgleich verschärft / SPD–Vize von Gewerkschaftsbasis ausgeladen / Ex–DGB–Chef Vetter: Lohnverzicht für alle / IG–Metall–Sprecher: Umverteilung auf Betriebsebene
Berlin (taz) - Der innenpolitische Streit um Lohnausgleich bei Arbeitszeitverkürzung hat sich weiter zugespitzt. Vorreiter Lafontaine bekommt jetzt auch Zunder von der DGB–Basis: Am Wochenende hat der DGB–Kreisvorstand in Nordfriesland den saarländischen Ministerpräsidenten und stellvertretenden SPD–Vorsitzenden demonstrativ als Hauptredner zur Maikundgebung in Husum ausgeladen. Lafontaine bekräftigte dagegen am Montag bei der Vorstellung seines Buches „Die Gesellschaft der Zukunft“ seine Forderung, bei den höheren Einkommensgruppen Arbeitszeitverkürzung auch ohne Lohnausgleich vorzunehmen. Noch weiter als Lafontaine ging in einem Interview der ehemalige DGB–Vorsitzende Heinz Oskar Vetter: Er forderte Lohnverzicht für alle zugunsten einer Umverteilung der Arbeit. Der DGB–Kreisvorsitzende von Nordfriesland, Peter Wellmann, begründete die Ausladung Lafontaines damit, daß in der der zeitigen Konfliktsituation mit den öffentlichen Arbeitgebern zum 1.Mai die gewerkschaftlichen Positionen deutlich gemacht werden sollten. Statt zur Maikundgebung soll Lafontaine nun zu einer Diskussion über Arbeitszeitverkürzung im Rahmen einer Kreisdelegiertenversammlung des DGB nach Husum eingeladen werden. Der ehemalige DGB–Vorsitzende Heinz Oskar Vetter befürwortete in der Neuen Osnabrücker Zeitung einen Lohnverzicht für alle zugunsten einer Umverteilung der Arbeit. Er schlägt eine bundesweit geltende Spitzenvereinbarung zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften mit dem Ziel vor, die Arbeitszeit mit einem Schlag um mindestens drei Stunden pro Woche zu verkürzen. Damit könnten fast eine Millionen Arbeitsplätze geschaffen werden. „Das geht nur mit Lohnverzicht. Ob es dabei reicht, nur die hohen Einkommen ab 5.000 Mark zur Kasse zu bitten, wie Lafontaine vorschlägt, bezweifle ich. Fortsetzung Seite 2 Da müssen wohl auch die kleinen Leute Opfer bringen“, meinte der jetzige SPD–Europaabgeordnete. Die Lohneinbußen müßten allerdings gestaffelt werden. Weniger globale Lösungen hält IG–Metall– Sprecher Jörg Barczynski für denkbar. Kürzere Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich, aber mit der Zusage der Arbeitgeber über neue Arbeitsplätze, könnten nach seiner Ansicht nur bei Firmentarifverträgen vereinbart werden. Denn nur bei solchen Verträgen könnten die Arbeitgeber im Gegensatz zu branchenweiten Tarifverträgen definitiv verpflichtet werden, Neueinstellungen vorzunehmen. „Wenn einer mit uns so einen Vertrag machen will“, fügte Barczynski hinzu, „den machen wir glatt.“ Aber es habe noch nie Verträge gegeben, in denen der Personalstand festgeschrieben worden sei. Auf diese Schwierigkeit hat auch der DGB–Vorsitzende Ernst Breit auf dem Gewerkschaftstag der Rundfunk– Film–Fernseh–Union in Ludwigsburg hingewiesen. Niemand könne von den Gewerkschaften erwarten, daß sie die vorhandenen Verteilungsspielräume nicht voll ausschöpfen, „zumal dann, wenn uns nicht garantiert wird, daß sich dies unmittelbar in mehr Arbeitsplätzen auswirkt“, meinte der DGB–Chef. marke
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