Zimmermann isoliert

„Das geltende Ausländerrecht ist auf den längerfristigen Aufenthalt von ausländischen Arbeitnehmern und ihren Familienangehörigen nicht zugeschnitten.“ Diese Feststellung der Ausländerbeauftragten der Bundesregierung, Liselotte Funke, ist so ziemlich das einzige, worin sich Bundesregierung und Koalitionsparteien in bezug auf das Ausländerrecht einig sind. Über die Notwendigkeit einer Neufassung des Gesetzes hinaus herrscht dagegen ein grundsätzlicher Dissens. Dabei geht es sowohl um die Zielvorgabe zukünftiger Ausländerpolitik, als auch um das bundesdeutsche Selbstverständnis im Verhältnis zu 4 1/2 Millionen Arbeitsimmigranten. Während die Ausländerbeauftragte für den ganz überwiegenden Teil der Immigranten eine faktische Einwanderung stillschweigend voraussetzt, setzt der Innenminister mit unterstützung seiner Partei nach wie vor auf die Repatriierung ins „Heimatland“. Für Ausländer, die sich auf Dauer zu diesem Schritt nicht entschließen können, hält Zimmermann eine simple Alternative bereit: Assimilation als Voraussetzung für den Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft . Dem bayeri schen Hang zur brutalen Simplifizierung setzt die Ausländerbeauftragte seit Jahren und mit zunehmendem Erfolg ein differenziertes Integrationsprogramm entgegen, dem nun auch die CDA in weiten Teilen folgt. Mit Unterstützung der Kirchen, der Wohlfahrtsverbände und dem DGB plädiert sie für mehr Rechtssicherheit, die den Immigranten eine sinnvolle Lebensplanung in der BRD ermöglichen soll. Die Stichworte sind Aufenthaltsverfestigung, Familiennachzug, Schutz vor Ausweisung und schließlich die Möglichkeit zum Erwerb einer Doppelten Staatsangehörigkeit, die den Immigranten keine endgültige Entscheidung aufnötigt. Mittelfristig zielt die Politik der Ausländerbeauftragten auf die sogenannte „zweite Generation“. „70 Prozent der heute in der BRD lebenden ausländischen Kinder und Jugendlichen unter 16 Jahren sind bereits hier geboren“ - daran hat sich nach Auffassung von Funke den Kirchen und Verbänden ein künftiges Ausländergesetz zu orientieren. Dazu gehört das Recht auf einen eigenständigen Aufenthaltsstatus für Kinder und Ehepartner, falls die Familiengemeinschaft aufgehoben wird. Jugendliche, die hier aufgewachsen sind, sollen die Möglichkeit bekommen, unabhängig von ihren Eltern zu entscheiden, ob sie hier bleiben wollen, auch wenn die Eltern heimkehren. Vor allem gelte es, die Schikanen für den Ehegattennachzug in der zweiten Generation abzuschaffen. Die geltende Regelung, mindestens einjähriger Bestand der Ehe, achtjähriger Aufenthalt des Ehepartners und gesichertes Auskommen, sorgt auch nach Meinung der CDU–Ausländerbeauftragten in Berlin, Barbara John, unnötig für böses Blut. Zumal es um eine vergleichsweise kleine Gruppe geht. Rund 7.000 - 8.000 Ehepartner warten derzeit auf eine Einreiseerlaubnis. Bedeckt hält sich die Ausländerbeauftragte in Fragen der politischen Partizipation. Während der DGB, die Evangelische Kirche und die Wohlfahrtsverbände für die Einführung des kommunalen Wahlrechts plädieren (die Katholische Kirche möchte das auf die EG–Mitgliedsländer beschränken), klammert Frau Funke diese Frage völlig aus. Dahinter steckt die Erwartung, politische Beteiligung leichter über die Doppelte Staatsangehörigkeit lösen zu können. Mit diesem Vorschlag glaubt die Ausländerbeauftragte überhaupt die Ideallösung für den notwendigen Integrationsrahmen gefunden zu haben. Dagegen steht ein Vorschlag, den die Grünen bereits als Gesetzentwurf im Bundestag eingebracht haben, das sogenannte Niederlassungsrecht. Danach sollen Ausländer nach fünf Jahren legalen Aufenthalts das Recht zur Niederlassung in der Bundesrepublik zugesprochen bekommen, mit dem sie bis auf wenige Ausnahmen den Deutschen rechtlich gleichgestellt würden. Diese an sich einleuchtende und auch einfachste Regelung wird aber auch in den Kirchen nur zurückhaltend diskutiert. Allenfalls zur Klärung sogenannter Altfälle im Sinne einer einmalig für einen bestimmten Personenkreis durchgeführten Aktion könnte sich die Katholische Kirche damit anfreunden. Jürgen Gottschlich