Doppelt soviel Leukämie am AKW Würgassen

■ Kasseler Kinderarzt legt Studie über Leukämiesterblichkeit bei Kindern und Jugendlichen in der Umgebung des zweitältesten bundesdeutschen AKW vor / „Zufall“ fast ausgeschlossen / Strahlenbelastung in Würgassen deutlich über allen anderen Werten

Von Klaus–Peter Klingelschmitt

Kassel (taz) - Der Kasseler Kinderarzt Matthias Demuth hat im Rahmen einer Pressekonferenz der Gruppe „Ärzte und Naturwissenschaftler gegen Atomkraftwerke“ eine Studie über die Leukämiesterblichkeit bei Kindern und Jugendlichen in der Umgebung des AKW Würgassen vorgestellt. Nach rund einjähriger Forschungsarbeit kam der Mediziner zu dem Schluß, daß in einem 20–km–Radius um das zweitälteste AKW der Republik „überdurchschnittlich viele Leukämiefälle bei Kindern“ aufgetreten seien. Nach Berechnungen des Institutes für medizinische Statistik und Dokumentation an der Uniklinik Mainz, das seit 1980 sämtliche Leukämie– und Tumorfälle bei Kindern zentral registriert und auswertet, seien in der Region Würgassen (20–km–Radius) im Untersuchungszeitraum 7,68 Leukämiefälle zu erwarten gewesen. Demuth registrierte insgesamt 14 Leukämiefälle bei Kindern und Jugendlichen. Für den Kinderarzt und seine MitarbeiterInnen bestehen lediglich 1,5 Prozent Wahrscheinlichkeit, daß die Verdoppelung der Leukämiefälle auf „Zufälle“ zurückzuführen sei. Demuth: „Andere Umweltfaktoren, die für diese erhöhten Leukämiefallzahlen verantwortlich sein könnten, wurden nicht gefunden.“ Ausdrücklich wies Demuth darauf hin, daß die Strahlenbelastung in der Umgebung des AKW–Würgassen - laut Angaben der Bundesregierung - immer deutlich über den Werten für alle anderen bundesdeutschen AKWs gelegen habe. Die Wissenschaftler um Demuth wiesen bereits in der vergangenen Woche auf ihrer Pressekonferenz auch darauf hin, daß es in Würgassen in überduchschnittlicher Häufigkeit zu Störfällen im Betriebsablauf gekommen sei. Deshalb seien die Ergebnisse der vorliegenden Studie nur bedingt auf andere AKWs der Republik zu übertragen. Die Gruppe „Ärzte und Atomwissenschaftler gegen Atomkraftwerke“ forderte die umgehende Stillegung des Würgassener „Altreaktors“, der im dichtbesiedelten Dreiländereck Hessen/Niedersachsen/NRW liegt und von der PREAG betrieben wird. Die Studie des Kinderarztes Demuth wird in den nächsten Tagen der Hauptverwaltung der Betreiberfirma, Preußen Elektra, in Hannover zugehen.