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Die großen Träume der kleinen Fische

■ Auf der Computer–Messe CeBIT stellen drei Computer–Firmen aus dem alternativen Umfeld aus / Probleme mit Seriosität und knallharten Geschäftemachern

Von Walter Schoendorf

Auch die diesjährige Messe für Büro, Information und Telekommunikation CeBIT strotzt wieder von Rekorden: größere Ausstellungsfläche, mehr Besucher, mehr Aussteller. 2.674 Firmen, darunter 1.715 inländische, versuchen, sich ein Stückchen aus der verlockenden EDV–Torte zu ergattern. Doch die großen Teile mit den süßesten Früchten haben sich längst einige Riesen geteilt. Dem Rest überläßt man die Krümel. Trotzdem sind noch viele kleine und vor allem junge Firmen dem „Garagenmythos“ der Pionierzeit verfallen. Vor wenigen Jahren hatte Steven Jobs mit einigen Freunden in einer kalifornischen Garage selbstentwickelte Computer zusammengelötet. Daraus entstand die Weltfirma „Apple“, aber auch der Traum vom schnellen Geld. Doch das „Apple–Wunder“ hat sich bislang noch nicht wiederholt. Die vielen kleinen Software–Schmieden, die in den „großen Pausen“ der Gymnasien oder vor den Institutsrechnern an den Unis gegründet wurden, kämpfen heute im kommerziellen Einheitsbrei ums Überleben. Der kreative Hackerflair mußte dem dunkelblauen Zweireiher zum Opfer fallen: Die Kunden stehen auf seriöse Erscheinungsformen. Wenn dann doch einmal die Auftragsdecke dünn wird und die Gehälter gestreckt werden müssen, springen die besten Leute ab und verschwinden in die klimatisierten Programmierlabors der Marktführer. Ein anderer Trend geht von Großunternehmen aus: Sie kaufen sich ihr System– und Softwarehaus. Bei solchen Übernahmen prallen oft vollkommen unterschiedliche „Firmenkulturen“ aufeinander - Reibereien und Konflikte sind vorprogrammiert. Diesen schmerzlichen Prozeß mußte auch die hannoversche „FOCUS Computer GmbH“ durchleiden. Die kleine Firma mit ihren rund zehn Mitarbeitern wurde zwar nicht von einem Multi geschluckt, hatte aber erhebliche Probleme während der Liaison mit einem größeren Verlag. Die FOCUS–Leute hatten die Idee einer vielseitigen elektronischen Informationsvermittlung. Als finanzschwerer Partner bot sich der „Heinz Heise Verlag“–Hannover an. FOCUS entwickelte die Soft ware, stellte Räume und Hardware zur Verfügung und bekam zum Dank einen Geschäftsführer des Computerzeitschriften–Verlages vorgesetzt, obwohl bereits ein eigener engagiert worden war. Nach einigen aufreibenden Monaten trennte sich FOCUS „einvernehmlich“ vom Verlag, der natürlich das gemeinsame Kind „CosmoNet“ übernahm. Das knallharte, hierarchische Geschäftsge baren des Seniorpartners war auf eine beschaulich–naive und nach unerklärlichen Gesetzmäßigkeiten arbeitende Firmenkultur gestoßen. Das soziale Netz aus Freundschaftsdiensten und persönlichen Abhängigkeiten blieb dem Verlag fremd. Nach diesen Turbulenzen ließ sich FOCUS gleich auf ein neues finanzielles Abenteuer ein: Auf der CeBIT 88 sind die Jungunternehmer erstmalig mit einem eigenen Messestand vertreten. Allerdings war selbst am 4. Messetag noch kein Prospektmaterial am Stand. Dafür wurden die Besucher mit einem Botton vertröstet: „Wir haben für jede Lösung das richtige Problem.“ Sehr viel sachlicher und Technik–orientierter geht es bei „GP Elektronik“ aus Berlin zu. Die Firma, die sich mit Meß– und Prüfelektronik beschäftigt, hat allerdings keinen eigenen Messestand, sondern sich als Subunternehmen bei „Atari“ untergestellt. Der Kopf der Truppe, Franz Gödeler, rekrutiert dabei seine zehn bis 25 Mitarbeiter aus dem Uni–Umfeld. Die Progammierer und die Experten für die Werkstatt und Labors werden jeweils zu festen Projekten engagiert oder arbeiten stundenweise - nach Lust und Laune und dem Zustand im Geldbeutel natürlich. In dem kleinen Unternehmen herrscht keine hierarchische Struktur. Der Chef ist eine Koryphäe und deshalb Chef. „GP“ läuft wie ein gut eingespieltes Seminar, dessen Teilnehmer freundlich miteinander umgehen und versuchen, Streß zu vermeiden - ohne allerdings die gesteckten Ziele aus den Augen zu verlieren. Zwischen „GP“ und „SOFTWORKS“ (München) liegen zwei Welten, auf der CeBIT hingegen nur eine Halle. Helmut Müller, Hans Prange und Tommy Schmidt sind die „SOFTWORKS“ und knallharte Yuppies. Das Outfit ist perfekt inszeniert. Ihr Lieblingswort ist „super“, die Konversation aber gepflegt. Ihre Produkte nennen sich „manager“ oder „productioner“ und werden auf dem „Apple“–Stand präsentiert. Die drei beschäftigen sich mit Job– Verwaltung, Termin– und Kostenplanung für die Zielgruppe Werbeagenturen und Verlage. Ihre Software ist witzig, detailreich, intelligent gelöst und vielleicht eher eine Frage des Lebensstils als eine der Wirtschaftlichkeit. Interessant ist die persönliche Entwicklung und das soziale Geflecht des Trios: Hans ist der geniale Programmierer und hat sich noch vor zwei Jahren seine Computer selbstgebastelt. Tommy ist seit zwei Monaten dabei und der „marketing–man“. Helmut hat die Ideen und managt den Rest. Die beiden haben früher zusammen Musik gemacht; Tommy tingelte vor wenigen Monaten noch als Musiker übers Land, bis ihn sein alter Kumpel Helmut zum Geldverdienen nach München beorderte. Mit Sozial– oder Krankenversicherung haben die „softworkers“ nicht viel im Sinn. Sie machen „Cash“ - lieber heute als nie!

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