K O M M E N T A R Chance vertan

■ Zum Forum „Gewalt bei Demonstrationen“

Zwei Tage lang beschäftigten sich Polizeiexperten und sozialdemokratische Politiker im hessischen Landtag mit einem „Phänomen unserer Zeit“, dem sogenannten Schwarzen Block, der - so die Erkenntnisse der Diskutanten - für die Gewalt bei Demonstrationen verantwortlich zu machen sei. Die Kritik von Daniel Cohn–Bendit an den Tendenzen dieser Veranstaltung, zu der die Landtagsfraktion der hessischen SPD nicht einen einzigen Experten der „anderen Seite“ geladen hatte, traf voll ins Schwarze: Gleich einem interdisziplinären Forscherteam stapften die Polizeipräsidenten und Konfliktpsychologen, die gutsituierten Landtagsabgeordneten und die „Männer der Praxis“ - sozusagen die Trägerkolonnen - auf der Suche nach dem Stamm der Autonomen durch das wissenschaftliche Unterholz. Dabei wurde weder die Frage nach den Ursachen für gesellschaftliche und somit auch strukturelle Gewalt auch nur im Ansatz beantwortet, noch die Frage nach den spezifischen Bedingungen für die „ausbrechende“ Gewalt bei Demonstrationen hinreichend geklärt. Die Autonomen, das „gewalttätige Gegenüber“ des Auditoriums, wurden so zu Unpersonen, denen man sich - je nach Standpunkt - repressiv (Polizei) oder sozialarbeiterisch (SPD) zu nähern versuchte. Wer über Gewalt bei Demonstrationen reden will und dabei die Auswirkungen struktureller und anderer, latent vorhandener Gewalt in allen Bereichen der Gesellschaft schlicht übersieht, der hält anschließend ein einziges buntes Steinchen für das ganze Mosaik der Zeitgeschichte. Klaus–Peter Klingelschmitt