: I N T E R V I E W Neue Farbe braucht das Land
■ Ina Deter bereiste auf Initiative der Grünen und Anti–Apartheidgruppen Mosambik
taz: Was hat dich denn auf der Reise am meisten beeindruckt? Ina Deter: Also, das kann man sich nicht vorstellen, was da los ist. Wir haben natürlich ein Flüchtlingslager gesehen und ein Kinderheim. Das, was wirklich im Land passiert, haben wir aber nicht gesehen. Das wurde mir nur von einem Entwicklungshelfer erzählt. Er meinte, wir wären noch in einem anständigen Flüchtlingslager gewesen, da haben die Menschen wenigstens noch ein Dach über dem Kopf und kriegen zu essen, obwohl sie nur Lumpen am Leibe tragen. Da ist mir erst einmal klar geworden, was im Landesinneren los sein muß, wo man überhaupt nicht mehr mit dem Auto oder dem Zug hinkommt. Aber das, was wir gesehen haben, war schon erschütternd genug. Du mußt dir vorstellen: Die Hauptstadt Maputo verfällt seit der Unabhängigkeit. Da scheint es keine Farbe zu geben und keinen Pinsel. Die Häuser sind dermaßen verwahrlost, die Straßen aufgerissen und kaputt. So, als ob du fünfzehn Jahre lang nichts mehr machst in deinem Zimmer, in deinem Haus oder an den Straßen. Die Autos rotten vor sich hin, 75 Prozent aller Fensterscheiben sind kaputt. Am Rande der Stadt leben die Leute in Blechhütten. Worauf führst du die desolate Situation zurück? Nach der Befreiung 1975 von der portugiesischen Kolonialherrschaft ging es einigermaßen, weil die sozialistischen Staaten Mosambik unterstützten. Nachdem die Regierung das Land jedoch gegenüber dem Westen öffnete, verloren die sozialistischen Länder ihr Interesse. Der EG–Entwicklungshelfer hat uns erzählt, daß er über einen jährlichen Etat von 700.000 Dollar verfügt, mit denen hauptsächlich Lebensmittel gekauft werden. Da denkt natürlich keiner an Farbe oder irgendeine Fensterscheibe. Das Nothilfeprogramm konzentriert sich erst einmal auf die Ernährung und die medizinische Betreuung. Einmal flogen wir auch von Maputo nördlich nach Beira. Das ist ein wichtiger Hafen auch für Mosambiks Nachbarstaaten. Der ist von den RENAMO–Truppen entsetzlich bombardiert und verwüstet worden. Hast du mehr von den RENAMO–Angriffen mitbekommen? Die verwüsten das Land und versetzen die Leute in Angst und Schrecken. Der Entwicklungshelfer hat uns erzählt, daß ein Drittel der Bevölkerung in abgelegenen Gebieten lebt, die von RENAMO terrorisiert werden. Vor allem junge Leute werden von RENAMO gekidnappt und mit Drill und Hunger gefügig gemacht. Sie werden so gezwungen, auf ihre eigenen Leute zu schießen. In dem Kinderheim haben wir Kinder gesehen, die von den Regierungstruppen befreit oder im Busch aufgelesen wurden. Die können überhaupt nicht mehr lachen. Sie haben auch das spielen verlernt. Sie sind dermaßen apathisch. Im Kinderheim wird versucht, ihnen wieder etwas Mut zu geben, um das erlebte Trauma vergessen zu können - eine sehr schwierige Aufgabe. Ein kleiner sechsjähriger Junge erzählte uns, was er erlebt hat. Er ist von der RENAMO gezwungen worden, die Hütte anzuzünden, in der seine Familie eingesperrt war. Der ist vollkommen verstört. Wie ist denn eure Musik angekommen? Die waren total aus dem Häuschen, dermaßen ausgehungert. Wenn man sich vorstellt, daß es da keinen Plattenladen gibt, geschweige denn eine Gelegenheit, Platten abzuspielen, dann kann man sich vorstellen, wie groß die Freude ist, wenn da einmal eine ausländische Band hinkommt. Sie selbst haben eine tolle Band, die Mbila–Band, die jetzt im Mai im Austausch kommen wird. Dann sind sie auch teilweise auf die Bühne gesprungen und haben wie die Wahnsinnigen mitgetanzt. Die Bühne war teilweise nur von schwarzen Jugendlichen voll. Ich glaube nicht, daß es hier etwas Vergleichbares gibt. Das Gespräch führte Michael Fischer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen