Springer hat Angst vor Schlagzeilen

■ Betriebsräte des Großverlages wollen gegen Pool–Vertrag kämpfen / Betriebsräte befürchten die Einstellung der WELT / Notstandschef Tamm fürchtet „dauernde Unruhe“ und „Geschäftsschädigung“

Aus Hamburg Axel Kintzinger

In der Belegschaft des Axel Springer Verlages brodelt es heftig. Den drohenden Pool–Vertrag zwischen Filmgroßhändler Leo Kirch und den Gebrüdern Franz und Frieder Burda wollen sie, wie verschiedene Betriebsräte gestern mitteilten, nicht kampflos hinnehmen. Ihre Sorge: Der „branchenfremde“ Kirch werde nach der Mehrheits–Übernahme alles daran setzen, aus dem Verlag ein Multi–Media–Unternehmen zu machen, in dem denn Presseprodukte nicht mehr die herausragende Stellung einnehmen würden, die sie heute haben. Befürchtet wird vor allem die Einstellung der defizitären, reaktionären Tageszeitung Die Welt, die der verstorbene Axel Cäsar Springer aus ideologischen Gründen ungeachtet aller betriebswirtschaftlichen Unwegsamkeiten mitgeschleppt hatte. Die derzeit 21,6 Prozent des Aktienkapitals haltenden Burda– Brüder haben dem Gesamtbetriebsrat nun allerdings versichert, daß sie die Die Welt nicht einstellen wollen. Dennoch kündigten die Betriebsräte Maßnahmen einer Gegenwehr „im Interesse des gesamten Konzerns“ an - über konkrete Schritte, etwa einen Streik, wollten sie sich jedoch nicht äußern. Nach Ansicht des Betriebsrats– Vorsitzenden Rolf Jürgensen „geht es bei diesem Gerangel um die Macht im Verlagshaus (Burda und Kirch kämen gemeinsam angeblich auf 52 Prozent - d. Red.) nicht nur um sehr viel Geld, es geht auch um politische Macht“. Er habe „entschieden etwas dagegen, wenn zu dem politischen Einfluß“ der Springer–Print–Medien „noch die Macht des privaten Fernsehens kommen soll“. Auf die Frage der taz, warum sich die Gewerkschafter über diesen gewöhnlichen Mechanismus der freien Marktwirtschaft, der mit ihrer Hilfe täglich in den Springer–Blättern propagiert wird, nun empören, antwortete der stellvertretende Betriebsrats– Vorsitzende Helmut Kruschak kleinlaut:“Wir sind nicht zuständig für das, was in den Blättern steht.“ Da sie sich auch nie darüber beschwert haben, fiel es dem Springer–Vorstandsvorsitzendem Peter Tamm im Rahmen der Springer– Betriebsversammlung gestern in Hamburg nicht schwer, den Schulterschluß mit dem Betriebsrat zu üben. Dessen Besorgnis dokumentiere „Treue und Verbundenheit zum Unternehmen“, sagte Tamm vor etwa 3.000 Beschäftigten ganz im Sinne des Gebots vertrauensvoller Zusammenarbeit von Betriebsrat und Arbeitgeber, wie es der Gesetzgeber vorschreibt, Sollten die Aktionäre sich nicht einigen, so Tamm weiter, drohten „dauernde Unruhe für das Unternehmen“ und „ständig neue Schlagzeilen“, die „geschäftsschädigend nach innen und außen“ wirkten. Verstimmt reagierten die Betriebsräte auf die Absage der Testamentsvollstrecker Friede Springer, Ernst Cramer und Bernhard Servatius, die nicht an der Betriebsversammlung teilnehmen. Verlesen wurde auf der Versammlung jedoch ein Schreiben der Testamentssvollstreckung. Darin heißt es, wenn jetzt gesagt werde, Axel Springer habe 74 Prozent seiner Aktien abgegeben, so sei das nur die halbe Wahrheit. Springer habe mit der Aktienplazierung vor allem eine Ordnung geschaffen, die sich auf eine mit ihm fest verabredete Partnerschaft, „nämlich die aus den Familien Springer und Burda bestehende Verlegermehrheit gründete“. Siehe auch Bericht und Interview auf der Seite 5