: Abrüstung, Abstürze und Austiege
■ Der Bundestag debattierte über den INF–Vertrag, Tiefflüge und Tschernobylfolgen / GAU kostete Bundesrepublik eine Milliarde Mark / Differenzen über Modernisierung nuklearer Kurzwaffen
Berlin (dpa/taz) - Der Bundestag debattierte gestern einen Gesetzesentwurf, der sowjetischen Inspektoren Kontrollbesuche in der Bundesrepublik zur Einhaltung des vor vier Monaten unterzeichneten Abkommens über die weltweite Abschaffung der atomaren Mittelstreckenraketen gestatten soll. Sämtliche Parteien werteten den Gesetzesentwurf und das Abrüstungsabkommen grundsätzlich positiv. Gemessen an den sonst vertretenen Positionen konnte man den Eindruck bekommen, das Plenum spiele „verkehrte Welt“. Außenminister Genscher bekam für seine Würdigung des Abkommens starken Beifall von der Opposition, und die FDP applaudierte dem SPD– Abgeordneten Voigt. Für die Grünen kritisierte Petra Kelly, daß das Abrüstungsabkommen zwar die Verschrottung der Raketen vorsehe, die atomaren Sprengköpfe jedoch erhalten blieben und weiter verwendet werden könnten. Differenzen gab es bei der Abrüstungsdebatte im Bundestag allerdings über die von der CDU befürwortete Modernisierung nuklearer Kurzwaffen. Während Außenminister Genscher sich gegen jede vorzeitige und deshalb „falsche“ Entscheidung über eine Nachrüstung bei den Kurzstreckenraketen wandte, plädierte sein Amtskollege Wörner für eine Modernisierung. Zu der erwarteten Uneinigkeit kam es auch bei der anschließenden Debatte über Folgen von Tschnernobyl, die die SPD–Fraktion schon vor gut einem Jahr beantragt hatte. Auf 88 Milliarden Mark schätzte dabei der umweltpolitische Sprecher der SPD, Schäfer, die finanziellen Folgeschäden von Tschernobyl allein in der Sowjetunion. Eine Milliarde habe die Bundesrepu blik der GAU gekostet. In der Sowjetunion müsse mit 100.000 zusätzlichen Krebstoten gerechnet werden. Für die Bundesregierung sei dies aber offenbar kein Grund, aus der Atomenergie auszusteigen, sondern von „unverantwortlicher Agitation“ zu sprechen. Kein grundsätzliches Nachdenken in der Union zeichnete sich gestern auch bei der Bundestagsdiskussion über die Tiefflüge ab. Bundesverteidigungsminister Wörner wandte sich dabei en als mehr, da die fehlende Übung für die Piloten ein höheres Unfallrisiko berge. Vera Gaserow
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