: Dänen trotzen der NATO
■ Folketing forderte atomwaffenfreie Zone in dänischen Hoheitsgewässern NATO bangt um Ostseezufahrt für atombestückte Kriegsschiffe
Brüssel (afp) - Die NATO - seit geraumer Zeit im Zielfeuer der Atomkraftgegner - sieht sich jetzt vor einen möglicherweise folgenschweren Präzendenzfall gestellt: Zum ersten Mal in der Geschichte der Allianz forderte das Parlament eines Mitgliedsstaates, nämlich Dänemarks, de facto die Schaffung einer atomwaffenfreien Zone. Die Forderung be trifft eine für das Bündnis besonders wichtige Zone, den Zugang zur Ostsee. Mit 75 gegen 58 Stimmen stimmten die Abgeordneten des Folketing am Donnerstag für einen Antrag, in dem die konservative Minderheitsregierung von Ministerpräsident Schlüter aufgefordert wird, alle Kriegsschiffe, die in einem dänischen Hafen anlegen wollen, über die traditionell atomwaffenfeindliche Politik des nordeuropäischen Landes zu „informieren“. Ehe jedoch über mögliche Maßnahmen entschieden wird, hat sich das Kabinett Schlüter eine Frist von zehn Tage ausbedungen. Schlüter möchte mit den NATO–Verbündeten über die Konsequenzen beraten, sollte dieser Antrag Anwendung finden. Außerhalb der NATO besteht bereits ein solcher Präzedenzfall: Das mit den USA und Australien im Anzus–Pakt verbündete Neuseeland hat sein Hoheitsgebiet zur atomwaffenfreien Zone erklärt. Daraufhin hatten die USA 1986 ihre Anzus–Beziehungen zu Neuseeland abgebrochen. Schlüter verurteilte vor dem Folketing die „Resolution, die Dänemark grundlegende Probleme gegenüber der Atlantischen Allianz schaffen wird“. Ihm bleibt nach Ansicht von politischen Beobachtern jetzt nur die zweifelhafte Wahl zwischen einer innenpolitischen Krise, die auf vorgezogene Neuwahlen hinauslaufen wird, und einer Konfrontation mit seinen engsten Verbündeten. Wie die Angelegenheit ausgehen wird, ist ungewiß, da die Mitte–Rechts–Regierung in Kopenhagen auch in Fragen der Verteidigung mit einer ihrer Koalitionsparteien, der Liberalen Partei, zerstritten ist. Die dänische Halbinsel hat zweifelsohne eine große strategische Bedeutung, da sie den Zugang zur Ostsee erlaubt und die Verbindung mit der Nordsee herstellt. NATO–Generalsekretär Lord Carrington warnte am Freitag vor schlimmen Folgen“, sollte die Resolution des Folketing zur Anwendung kommen. Auch die Vereinigten Staaten und Großbritannin brachten ihre Unzufriedenheit mit Dänemark auf einer Sitzung des Nordatlantischen Rates zum Ausdruck. Der Botschafter Großbritanniens betonte sogar, daß „dies die militärische Unterstützungsmission“ für Dänemark „in Frage stellen könne“, die den britischen Streitkräften im Kriegsfalle übertragen wird. PORTRAIT
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