Mechtersheimer: Ghaddafi geläutert

■ Der grüne Bundestagsabgeordnete und seine Fraktionskollegin Angelika Beer berichten von ihrer umstrittenen Privatreise nach Libyen / Angelika Beer: Innenpolitische Lage lockert sich kontinuierlich

Aus Bonn Charlotte Wiedemann

Nach der Rückkehr von ihrer umstrittenen Libyen–Reise forderten die grünen Bundestagsabgeordneten Alfred Mechtersheimer und Angelika Beer gestern, die Bundesregierung solle ihre Beziehungen zu Ghaddafi normalisieren und die politische „Quarantäne“ gegenüber Libyen aufheben. Mechtersheimer:“Libyen ist in den internationalen Terrorismus nicht mehr involviert als fast alle anderen arabischen Länder.“ Ghaddafi habe ihnen zugesichert, daß die Ermordung von Regimegegnern im Ausland „ein Ende haben muß“. Dies wurde nach dem Bericht der Abgeordneten aber als „Appell an das libysche Volk“ formuliert. Angelika Beer zeigte sich überzeugt, daß sich die innenpolitische Lage unter Ghaddafi „langsam, aber kontinuierlich lockert“, und verwies auf die Amnestie für politische Gefangene vom März des Jahres. Die Eigenmächtigkeit der Sicherheitsorgane werde eingeschränkt, die Revolutionskomitees seien teilweise entmachtet. Zu einer von Amnesty International zusammengestellten Liste von Gefangenen, die die Abgeordneten übergaben, erhielten sie die Auskunft,alle Genannten wären nicht mehr in Haft.Zu Gesprächen mit den angeblich Entlassenen sei es aber aus Zeitgründen nicht gekommen. Eine Aufforderung der libyschen Regierung an hiesige Menschenrechtsorganisationen, sich selbst im Land zu informieren, lag in Bonn schriftlich vor. Hinsichtlich des Anlasses ihrer Reise, des Jahrestages der Bombardierung von Tripolis und Bengasi durch die USA, sind Beer und Mechtersheimer nun sicher, daß die Ermordung Ghaddafis die „primäre Absicht“ dieses Angriffs war. Die Zerstörung militärischer Ziele sei zweitrangig gewesen. Die damals versehentlich getroffene französische Botschaft sei zwei Tage vor dem Angriff geräumt worden. Ob es in der Fraktion noch zu einem offenen Konflikt über diesen Reisebericht kommt, blieb gestern offen. Die beiden Abgeordneten waren „privat“ unterwegs gewesen, nachdem die Fraktion gegen ihre Reise votiert hatte. Intern wurde ihre Darstellung vor der Presse als „peinlicher Auftritt“ und „Reinwaschung Ghaddafis“ kritisiert. Schily zeigte sich verärgert, daß zur Pressekonferenz mit dem Briefkopf der Grünen eingeladen wurde: „Ich will damit nicht identifiziert werden.“ Das Thema Libyen wird jedenfalls bei der Vorbereitung eines Kongresses, den die Fraktion im Sommer veranstalten will, eine Rolle spielen: Gegenstand sind die unter „low intensity warfare“ bekannten neuen Kriegsstrategien der USA in der „Dritten Welt“.