Töpfer im Ausschuß–Karussell

■ Der Bonner Reaktorminister auf Werbetour für sein Entflechtungskonzept / Nukem–Uranhändler bleiben unangetastet / Entflechtung schon vor Proliferationsverdacht von Atomlobby anvisiert

Bonn/Brüssel (taz) - Drei Tage bevor Wallmanns Verdacht auf Bruch des Atomwaffensperrvertrags die Republik in Aufregung versetzte, ist die Atomindustrie bereits mit einem Vorschlag zur „Neuordnung“ ihres Sumpfs an Minister Töpfer herangetreten. Vor dem Bonner Untersuchungsausschuß sagte Töpfer gestern, ein derartiges Konzept sei ihm „in einem Gespräch am 11.Januar in Aussicht“ gestellt worden. Am 14. und 15.Januar ballten sich dann die Krisensitzungen, und Nukem wurde vorläufig stillgelegt. Durch diesen Ablauf erhärtet sich die Vermutung, daß die sogenannte Entflechtung der Atomindustrie nicht eine Reaktion auf den Proliferations–Verdacht und den damit ausgelösten Skandal ist, sondern eine von der Atomindustrie selbst gewollte und spätestens nach Auffliegen der illega len Atommüll–Schiebereien zwischen Mol und Hanau geplante Umstrukturierung. Töpfer hatte sich gestern, ungeachtet der Terminplanung des Ausschusses, kurzfristig selbst eingeladen, um, wie er sagte, die Bonner Parlamentarier zu informieren, bevor er am Nachmittag vor dem europäischen Untersuchungsausschuß in Brüssel auftrat. Da er keine neuen Erkenntnisse anzubieten hatte, vermuteten SPD und Grüne, er wollte den Ausschuß nur für einen medienwirksamen Auftritt nutzen. Wortreich, aber in der Sache verschwiegen, drückte sich Töpfer um das Thema herum, zu dem schon sein hessischer Kollege Weimar zwei Tage zuvor im dortigen Ausschuß nichts sagen wollte: über die Rolle der Firma Siemens bei der geplanten Widerrufung der Vorabzustimmungen für die Siemens–Tochter Alkem. Töpfer: „Ich befinde mich in keinerlei Beeinflussung durch Siemens.“ Auf Verärgerung bei der Opposition stieß auch die Tatsache, daß das Gutachten der Wirtschaftsprüfer „Treuarbeit“ über Nukem zwar der Firma selbst übergeben wurde, aber dem Untersuchungsausschuß weiter vorenthalten wird. Begründung: Die Nukem soll erst sagen, ob durch den Bericht Geschäftsgeheimnisse offenbart werden. Otto Schily zu Töpfer: „Ihr Respekt vor Nukem ist größer als vor dem Parlament.“ Am Donnerstag nachmittag stand Töpfer dann dem Untersuchungsausschuß des Europäischen Parlaments in Brüssel Rede und Antwort. Das geriet allerdings höchst dürftig. Weder Töpfers abgelesene Einführung noch seine Antworten während der rund einstündigen Befragung enthielten neue Details oder Erkenntnisse über den Transnuklear– Skandal. Spürbar mißlaunig reagierte der Bundesminister, der zur Zeit turnusmäßig auch Präsident des EG–Umweltministerrates ist, allerdings auf eine Frage der grünen Abgeordneten Undine Bloch von Blottnitz. Angesichts soeben bekanntgewordener „Swaps“ der Firma Nukem wollte sie wissen, ob sein Entflechtungskonzept für die Hanauer Atombetriebe auch die Uranhändler–Abteilung der Nukem einschließe. Obwohl Töpfer selbst seine Neuordnungs– Operation zuvor ausführlich gewürdigt hatte, verweigerte er darauf die Antwort mit der Erklärung, er wolle sich vor dem Europäischen Parlament auf den Themenkomplex Transnuklear - Mol beschränken. Wiedemann/Scheuer