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Importierte AKW–Pleite

■ Großbritannien will Druckwasser–Reaktoren importieren, die in den USA selbst wohl kaum noch ans Netz gehen werden

Aus London Rolf Paasch

Was in den USA jetzt verschrottet wird, soll in Großbritannien erst noch gebaut werden: Die Rede ist von Atomkraftwerken des amerikanischen Druckwasser–Typs (PWR). Dabei würde nur ein kurzer Blick über den großen Teich genügen, um die Briten von ihrem so gefährlichen wie kostspieligen Atomabenteuer abzuhalten. Wie die New York Times in den letzten Tagen berichtete, scheint dort das Schicksal des 820 Megawatt– Reaktors von Shoreham, rund 80 km von New York entfernt, nun endgültig entschieden. Schon nach dem Unfall von Three Mile Island im Jahre 1979 waren der Behörde des Staates New York Zweifel an der verwendeten Reaktortechnik sowie an den Sicherheitsvorkehrungen der privaten Betreibergesellschaft gekommen. Eine lange, von der örtlichen Bevölkerung und Anti–Atom–Aktivisten getragene Kampagne scheint nun selbst den Gouverneur von New York, Mario Cuomo, überzeugt zu haben, daß im Ernstfall eine Evakuierung der drei Millionen Bewohner von Long Island, wo die Pendler jetzt schon in der Rush Hour Stoßstange an Stoßstange fahren, unmöglich wäre. Die Gespräche zur Übernahme des 5,3 Millionen Dollar teuren Reaktors durch die New Yorker Behörde und dessen anschließender Verschrottung (Kostenpunkt 400–500 Millionen Dollar stehen nun kurz vor ihrem Abschluß. Der vor fünf Jahren von der „Long Island Electric Company“ fertiggestellte Druckwasser–Reaktor wäre damit der erste amerikanische Atomreaktor, der nie ans Netz gegangen ist. Völlig unbeeindruckt von den Schlampereien der amerikanischen Kraftwerksbauer hat die Regierung Thatcher in Großbritannien nun den voraussichtlichen Standort für den drittnächsten PWR–Reaktor bekanntgegeben. Nach Sizewell, wo mittlerweile gebaut wird, und Hinkley Point, wo demnächst die angeblich demokratische öffentliche Anhörung beginnen wird, sollen demnächst auch die Nordwaliser auf ihrer Halbinsel von Anglesey mit zusätzlicher Atomkraft beglückt werden. Ziel der Briten - deren eigener gasgekühlter Reaktortyp sich letzte Woche als irreparable Fehlkonstruktion entpuppte - ist es, eine „kleine Familie“ von US– Druckwasserreaktoren zu bauen, um so die Stückkosten senken zu können. Da in den USA seit zehn Jahren kein neues AKW mehr ans Netz gegangen ist, warten die US– Firmen Westinghouse und Babcock bereits sehnlich auf die Aufträge aus Maggies Reich noch unbegrenzter atomarer Möglichkeiten.

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